Die Mitglieder des Clubs von Oberwelt e.V. sind die Philosophen unter den Künstlern. Seit über 30 Jahren werden die gängigen Kunstbegriffe hinterfragt, aber auch über Politik und Soziologie diskutiert.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Hochkultur in Stuttgart bedeutet nicht nur Staatsgalerie und Opernhaus. Kunst entsteht auch in Hinterhöfen, aufgegebenen Geschäften oder auf Industriebrachen. In einer Serie stellen wir einige dieser Offspaces vor. Heute: Oberwelt e. V. in der Reinsburgstraße.

 

Die Oberwelt passt eigentlich nicht in unsere Zeit. Während der hippe Mainstream in angesagten Stuttgarter Clubs auf der Theodor-Heuss-Straße an der Oberfläche kratzt, versammelt sich in einem kleinen Hinterhofzimmer in der Reinsburgstraße 93 ein bunt zusammengewürfelter Haufen von Idealisten. Agitationsplakate hängen neben kleinen Zeichnungen und politischen Sprüchen an den Wänden. Es wird geraucht, das Bier aus der Flasche getrunken, und die Musik kommt vom Plattenspieler, auf dem sich eine Vinyl-LP dreht.

In der verramschten ehemaligen Abstellkammer mit Namen „Dein Klub“ werden jeden Montagabend dicke Bretter gebohrt, denn die Mitglieder haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Welt zumindest ein klein wenig zu verändern. „Wir wollen die Konsumkultur wieder als Aktivität zurückholen“, umreißt Vorstandsmitglied Peter Haury das ambitionierte Konzept von Oberwelt e. V. Eine wesentliche Rolle spielt dabei das Hinterfragen der gängigen Kunstbegriffe. Doch wollen sich die Mitglieder nicht auf die Kunst festlegen. Themen in den Diskussionen kommen auch aus der Soziologie oder der Politik.

Seit über 30 Jahren eine Institution

Der Verein ist in Stuttgart eine Institution, gegründet vor über 30 Jahren von einigen Studenten, die über den Sinn und die Möglichkeiten der Kunst reflektierten und über Philosophie diskutierten. Nachdem der Klub danach mit wechselnder Mannschaft auch verschiedene künstlerische Ausrichtungen genommen hat, wollen die aktuellen Mitglieder an die Gründungstradition wieder anknüpfen.

„Wir gehen zum Beispiel der Frage nach, welche Wirksamkeit das künstlerische Leben auf das Leben im Alltag haben kann“, sagt Haury. Die Oberwelt organisiert in der eigenen Galerie aber auch rund 15 Ausstellungen und Performances pro Jahr. Haury: „Bei uns erhalten unbekannte Künstler eine Plattform.“ Wobei es auf keinen Fall darum gehe, mit der Kunst Profit zu machen, unterstreicht er. Die Künstler bekommen für die Ausstellungen ein eher symbolisches Honorar, die Mitglieder des Vereins arbeiten ehrenamtlich. Allerdings hat Oberwelt e. V. das Glück, von der Stadt Stuttgart jedes Jahr mit 12 000 Euro gefördert zu werden. Hinzu kommen die Beiträge von rund 70 Mitgliedern sowie Spenden und Sponsorengelder.