Olaf Scholz Der Kanzler zu Besuch bei armen Verwandten

Olaf Scholz (li.) und Andreas Stoch vor zwei Jahren in Stuttgart – diesen Samstag stellt sich Stoch in Friedrichshafen der Wiederwahl als SPD-Landeschef. Foto: dpa//Sebastian Gollnow

Beim Landesparteitag sucht die baden-württembergische SPD nach einer rettenden Idee. Olaf Scholz soll für gute Stimmung sorgen. Ist er der richtige Mann dafür?

Friedrichshafen liegt nah am Wasser, vielleicht lockt dies den Hanseaten Olaf Scholz aus der Reserve, wenn er an diesem Samstag vor dem SPD-Landesparteitag auftritt. Vor vier Wochen bei der Bayern-SPD in München hielt der Bundeskanzler eine seiner gefürchteten Scholz-Reden: trocken und hyperkontrolliert. Scholz ist ein Mann, dessen Auftritte die eigene Bedeutung dementieren. Das ist herrlich in einer Politikerwelt, in der die Wichtigtuer dominieren. Aber es gilt weithin als Schwäche.

 

Scholz spricht so leise, dass sein Gegenüber still sein muss, um etwas zu verstehen. Die bayerischen Genossen jubelten dem Kanzler trotzdem zu. Leider fragte sie niemand, warum eigentlich. Vielleicht weil im kommenden Jahr Landtagswahl ist. Florian von Brunn, so heißt der Spitzenkandidat, will Ministerpräsident werden. Bei der vergangenen Landtagswahl hatte die Bayern-SPD 9,7 Prozent geholt.

Ein faustischer Pakt

In Friedrichshafen trifft Scholz auf ein weiteres Sorgenkind der Sozialdemokratie. Bei der Landtagswahl 2021 hatte die Südwest-SPD magere elf Prozent erzielt, was aber immerhin noch für Platz drei im Parlament reichte. Seither ist Landesparteichef Andreas Stoch Oppositionsführer. Dabei handelt es sich um ein informelles Amt, das der Heidenheimer Stoch mit gebremster Begeisterung ausübt. Er war drei Jahre Kultusminister gewesen, von 2013 bis 2016. Regieren hatte ihm besser gelegen. Im Landtagswahlkampf 2021 diente sich die SPD den Grünen um Ministerpräsident Winfried Kretschmann unverhohlen als kleinerer Koalitionspartner an. Im Verlauf der Auszählungen am Wahlabend hatte Grün-Rot sogar für einen Moment eine Einstimmenmehrheit. Es war ein kurzes Glück.

Stoch stellt sich in Friedrichshafen der Wiederwahl als Landesvorsitzender, ebenso sein Generalsekretär Sascha Binder, der auch in der Fraktion als zweiter Mann agiert. Die beiden haben es hinbekommen, den intrigenverliebten Landesverband zu befrieden. Die Pandemie mag zusätzlich einen beruhigenden Einfluss ausgeübt haben. Stoch und Binder verbindet ein Zweckbündnis. Oder ist es ein faustischer Pakt? Hier der ehrbar-biedere Stoch, der nach Großem strebt, aber nicht recht weiß, wie er es erlangt. Dort Binder, der Mephistopheles, in dem Grüne und CDU jenen Geist erkennen, „der stets verneint“.

Mit der politischen Konkurrenz springt Binder tatsächlich nicht zimperlich um. Er werde auch Stoch, so die Erwartung, nach der Landtagswahl 2026 beiseiteschieben wollen. „Wenn Stoch Fehler macht“, sagt ein SPD-Insider, „kommt Binder aus den Startlöchern.“ Der Generalsekretär habe immer wieder deutlich gemacht, dass er seinen Chef für einen Zögerer und Zauderer halte.

Ohne den Kanzler geht es nicht

Derzeit stimmt die Rollenverteilung noch. Stoch wirkt in der Partei integrierend, hat damit aber ein Profilproblem an der Backe. Binder gibt den Hauptankläger gegenüber der Regierung in einer Weise, die in der CDU bereits die Frage auslöste, ob dieser „ganz prinzipiell etwas gegen Christdemokraten“ habe. Was der Landes-SPD fehlt, sind die inhaltlichen Impulse. Ein Versuch war die Kampagne für die gebührenfreie Kita, die aber vom Verfassungsgerichtshof gestoppt wurde. In der Partei steckt noch immer ein hohes Maß an politischer Vernunft und Erfahrung. Vermisst wird aber „eine Idee, hinter der man sich versammeln kann“, heißt es aus der SPD.

Von Kanzler Scholz erwarten die Genossen „mehr Tempo“

Der Scholz-Erfolg vor einem Jahr brachte vorübergehend auch die Südwest-SPD nach vorn – zumindest demoskopisch. Im Oktober 2021 lag sie mit 20 Prozent sogar vor der CDU mit 17 Prozent. Inzwischen notiert die SPD wieder niedriger: um die 15 Prozent. Die Hoffnung, dass sich die SPD nach der Ära Kretschmann wieder berappeln könne, haben sich die meisten in der Partei abgeschminkt. Sollte Kretschmann die Legislatur durchstehen, hätten die Grünen 15 Jahre das Land geführt. Das bleibt machtpolitisch nicht folgenlos.

Von Kanzler Scholz erwarten die Genossen „mehr Tempo“, wie etwa die Juso-Landesvorsitzende Lara Herter sagt. Scholz müsse stärker Präsenz zeigen, mehr reden, besser verkaufen, was er tue. Sollte der Kanzler 2025 wiedergewählt werden, so die Hoffnung der Landes-SPD, könne sie bei der Landtagswahl im Frühjahr 2026 davon profitieren. Es wäre ein Glück von fremder Hand.

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