Im US-Bundesstaat Georgia befindet sich der vielleicht größte Oldtimer-Schrottplatz der Welt. Mehr als 4400 Wagen rotten im Wald vor sich hin. Wer sie sehen will, muss Eintritt zahlen.

Georgia - Der größte Oldtimer-Friedhof der Welt liegt gut getarnt. Vom Highway aus ist nur ein verrostetes Schild zu sehen, dahinter ein Maschendrahtzaun, durch den Gestrüpp wächst. Der Parkplatz: eine Mischung aus Asphalt und Kieselsteinen, bedeckt von Gras und einem überwucherten Minivan. Gepflegt wirkt das alles nicht. Doch das ist wahrscheinlich Absicht. Denn um nichts anderes geht es an diesem Ort: Verfall, Vergänglichkeit, Tod und Technik.

 

Die „Old Car City“ ist ein riesiger Schrottplatz für Oldtimer. Sie liegt im US-Bundesstaat Georgia, rund 50 Meilen nördlich der Metropole Atlanta. Seit Jahrzehnten schon gammeln Fahrzeuge aller Marken dort vor sich hin – unter freiem Himmel. Mitten im Wald haben über 4400 Autos ihre letzte Ruhestätte gefunden. Wobei man von Ruhe eigentlich nicht sprechen kann: Die Rostlauben sind so beliebt, dass ständig irgendjemand vorbeischaut, um sie zu fotografieren. Ein abgebrochener Spiegel. Eine zerschmetterte Frontscheibe. Ein durchgerosteter Kofferraum. Perfekte Motive für Autofans mit Hang zum Morbiden.

Ein Foto-Trip kostet 25 Dollar

Der Mann, der mit dieser Sehnsucht sein Geld verdient, heißt Dean Lewis. Mit seinem weißen Bart, der Sonnenbrille und dem Zigarrenstummel im Mund sieht er wie ein Rocker-Opa aus. Lewis ist 79 Jahre alt, wirkt aber deutlich jünger. Was wohl daran liegt, dass er als Besitzer von Old Car City nicht allzu viel arbeiten muss. Im Gegenteil. Je verwilderter der Park, je morbider die Kulisse, desto begeisterter sind die Besucher. . „Wir halten die Wege frei“, berichtet der Geschäftsmann. „Ansonsten machen wir so gut wie gar nichts.“

Das Gelände hinter dem Büro gibt ihm recht. Überall Laub, Äste, Tannenzapfen. An manchen Stellen reicht das Gras bis zur Hüfte. Dazwischen: Autos, Autos, Autos. Oder das, was davon übrig ist. Ein 1967 Pontiac GTO sieht aus wie eine mechanische Kuh, weil Farbe und Rost ein geschecktes Muster bilden. Ein VW Käfer fristet ohne Kofferraumklappe sein Dasein. Ein paar Meter weiter steht ein Schulbus, so alt, dass die Eingangsstufen komplett durchgerostet sind. Andere Fahrzeuge sind als solche kaum noch erkennbar. Der Lack ist ersetzt durch Rost und Pilze. Bei manchen wächst ein Baum durch den Innenraum, während andere dezenter verrotten: eine Spinnwebe hier, ein zerschmetterter Tacho dort.

Überall sind Ölflecken auf dem Waldboden

Über dem Autofriedhof liegt ein Geruch aus Wald und Werkstatt. Harz, Gummi, Metall und Motoröl. Überall sind Ölflecken auf dem Waldboden zu sehen. Umweltgesetze? Behördliche Auflagen? „Zum Glück nicht“, sagt Lewis. „Bis jetzt hat sich noch niemand beschwert.“ Macht er sich keine Sorgen ums Grundwasser? Lewis zuckt mit den Schultern. „Ist doch nur ein bisschen Öl.“ Rund 2600 verschiedene Modelle tummeln sich in der Old Car City. Keines jünger als 46 Jahre. „Alles, was nach 1970 kommt, interessiert mich nicht“, sagt Lewis. Es seien schließlich die Klassiker, die die Leute sehen wollten. Aus aller Welt kämen die Besucher herbeigeströmt, um die Sammlung zu bestaunen, sagt der Geschäftsmann. „Manche Fotografen verbringen hier mehrere Tage“, so Lewis. „Und auch das Fernsehen ist ständig da. NBC, ABC, Disney, Fox – letztens haben sie sogar eine Folge von ‚The Walking Dead‘ gedreht.“

Was seine Autosammlung wert ist, will Lewis nicht verraten. Angeblich weiß er es auch nicht genau. „Aber ich habe immer eine Schrotflinte unterm Schreibtisch, falls irgendjemand versucht, was zu klauen.“ Schon oft seien nachts Diebe vorbeigekommen. Lewis erzählt, seine Eltern hätten 1931 die ersten Autowracks erworben, um Ersatzteile weiterzuverkaufen. „Sie besaßen eine kleine Tankstelle und lebten in der Hütte dahinter. Dass der Schrottplatz einmal so wertvoll werden würde, hätten sie nie gedacht.“ Als Lewis das Gelände erbte, dachte auch er zunächst ans schnelle Geld. „Es gibt viele Leute, die solche Autos restaurieren und damit durch die Gegend fahren wollen“, sagt der 79-Jährige. „Damit hätte ich ordentlich was verdienen können.“ Doch dann habe er an den Chevrolet Monte Carlo gedacht, den seine Mutter als Neuwagen gekauft hatte. „Den konnte ich einfach nicht weggeben. Und die anderen Autos auch nicht.“ Seither baut Lewis die Kollektion immer weiter aus. Selbst Elvis Presleys letztes Auto, ein Lincoln Continental Mark V, gehört inzwischen zum Inventar. Es ist eine von wenigen Karosserien, die nicht bei Wind und Wetter draußen stehen, sondern in einer geschützten Halle. Poliert ist jedoch auch Elvis’ Auto nicht. Es ist eingestaubt und bedeckt mit leeren Cola-Dosen.

Bereut hat Lewis seine Entscheidung nie. Immer mehr Firmen nutzen den Autofriedhof, um ihre Produkte in Szene zu setzen. Ganz zu schweigen von den zahlreichen Akt-Kalendern, die auf dem weitläufigen Gelände entstanden sind. Die Herausforderung besteht eher darin, den Überblick zu behalten.

Besitzer will nie in Rente gehen

Es stellt sich also die Frage, was mit dem Autofriedhof in Zukunft geschehen wird. „Ich bekomme immer wieder Anfragen, das komplette Anwesen zu verkaufen“, erzählt Lewis. „Aber das mache ich nicht.“ Sowohl sein Sohn als auch seine Tochter seien interessiert daran, das Geschäft weiterzuführen. Er überlegt, bevor er sich eine neue Zigarre anzündet. „Aber warum sollten sie das? Ich gehe schließlich niemals in Rente.“