Oldtimer-Markt Mekka des „rostigsten Hobbys der Welt“

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Der Schrauber-Markt Veterama lockt zum 50. Mal Oldtimer-Fans nach Mannheim. Gründer Winfried Seidel erinnert sich an die Anfänge.

Es ist DER Treffpunkt der Schrauberszene: der Oldtimer-Markt Veterama in Mannheim. Das herbstliche Gipfeltreffen für Menschen, die ihre Freizeit dem Reparieren und Restaurieren mehr oder minder betagter Vehikel mit zwei, drei oder vier Rädern widmen. Zusammen mit anderen neugierigen Zeitgenossen sind das mehr als 30 000 Besucher, die dieses Jahr vom 10. bis zum 12. Oktober auf dem Maimarktgelände die Stände von rund 2500 Anbietern und Ausstellern abklappern. Wer alles absuchen möchte, muss etwa 26 Kilometer Wegstrecke zurücklegen. Und findet vielleicht dann doch nicht das ersehnte Ersatzteil, kehrt aber mit der Gewissheit aus Mannheim zurück, sich mit Gleichgesinnten gut unterhalten zu haben. Außerdem findet sich so viel anderes: Mobiliar, Gemälde, Lampen, Schaufensterpuppen, Bücher, Modellautos und vieles mehr. Mutige Gäste kaufen auch gleich ein mehr oder minder komplettes Fahrzeug vor Ort. Man will ja über den Winter was zu schrauben haben.

 

Veterama: Woodstock der Schrauber

Veterama-Gründer Winfried Seidel, inzwischen 86 Jahre und Dank seines Hobbys jung geblieben, bezeichnet diese Leidenschaft als „rostigstes Hobby der Welt“. „Das sind nicht unbedingt professionelle Händler, sondern alles Szene-Leute“, sagt er. „Die Veterama lebt davon, dass sie eine Kult-Veranstaltung geblieben ist, das Woodstock der Schrauber.“

Der Vergleich mit dem legendären Rockfestival von 1969 passt durchaus optisch: Kein Schickimicki-Publikum, keine Sammler sündhaft teurer Edelkarossen. Nein, die Veterama-Fans sind rustikal, in Ehren ergraut, mit oder ohne Haare. Hier geht es rau aber herzlich zu, locker vom Hocker. Je schräger und abgefahrener Kundschaft und Angebot sind, desto schöner die Veterama. Sogar Vorstandchefs haben sich schon mal gut getarnt unter das Publikum gemischt, lächelt Seidel.

Vor 50 Jahren hat der „Oldtimer-Papst aus Ladenburg“ die Veterama aus der Taufe gehoben. Die Geschäftsführung des Mannheimer Maimarkts wollte 1975 etwas Unterhaltung bieten und engagierte Seidel, um ein Zelt mit Oldtimern zu füllen. Der damalige Präsident des Mercedes-Benz-Clubs Deuschland beschaffte alte Automobile, sein Freund Walter Metz gut abgehangene Motorrad-Klassiker. Die Schau kam so gut an, dass das Duo Seidel/Metz auf die Idee kam, in Mannheim mit einem Ersatzteilmarkt für Oldtimer-Fans und Bastler loszulegen. So wie Seidel das damals beim alljährlichen Mercedes-Benz-Pfingsttreffen am Alterssitz von Carl Benz in Ladenburg organisiert hatte: „Treffpunkt der Szene waren damals die Schrottplätze, warum sowas nicht firmenübergreifend für alle Schrauber an einem Ort veranstalten?“

In einer Holzhalle ging die Veterama los

In einer alten Holzhalle bei Opel Kannenberg in Mannheim startete das Abenteuer mit 1000 Besuchern und 30 Ausstellern, darunter auch ein gewisser Konrad Kujau. Ob und was der Fälscher damals verkauft hat, weiß Seidel nicht mehr: „Aber die Veranstaltung nannten wir damals Mannheimer Fugger, weil ja fleißig gefuggert, also ge- und verhandelt werden sollte. Aber nach zwei Jahren kam ein Anschreiben eines Augsburger Anwaltsbüros und wir haben auf den Begriff Fuggern dann verzichtet.“

Ein anderer Name musste also her: „Mannheimer Veteranenmarkt“ klang zu getragen, aber „Veterama“ war dann die passende Abkürzung bis heute. Die Oldtimer-Szene wuchs und mit der automobilen Nostalgie und der steigenden Erinnerungsfreude der Baby-Boomer wurde auch die Veterama immer größer. Sie wechselte mehrfach den herbstlichen Schauplatz, wurde schließlich auf dem Mannheimer Maimarktgelände heimisch mit bis zu 50 000 Besuchern in Spitzenzeiten. Zusätzlich gibt es eine Frühjahrs-Veterama, zunächst in Ludwigshafen, inzwischen am Hockenheimring.

Auch beim Jubiläum am kommenden Wochenende sind alle Stände ausgebucht. Die Besucherzahl stagniert allerdings etwas, bekennt Seidel: „Heute herrscht eine gewisse Autofeindlichkeit im Land, wir müssen vor allem um junge Leute kämpfen. Die Nische für Freizeit ist kleiner geworden, alle paar Jahre ändert sich das Berufsbild, soziale Netzwerke, Medien, Handy, Internet bestimmen das Leben.“ Er erklärt: „Da bleibt nicht mehr viel für Schrauberfreuden. Und es gibt eine gewisse Überalterung der Szene bei Automobilen, das Durchschnittsalter bei unserem Mercedes-Benz-Club liegt bei 70 Jahren. Wir haben aber gute Hoffnung, Zweiräder sind schon wieder im Kommen.“

Viel Zeit, viel Geduld

Die moderne Automobil-Elektronik macht Selber-Schrauben und Basteln allerdings fast unmöglich. Doch es gibt auch auf der Veterama viele automobile Youngtimer mit 30, 40 Jahren auf dem Blech, die noch für ein paar Tausend Euro erschwinglich sind. Man muss viel Zeit investieren und Geschick zum Selbermachen mitbringen. Aber der Spaß ist riesig, weiß Seidel.

Zusammen mit Ehefrau Brigitte hat er sich jetzt zum Jubiläum seiner Veterama aus der Geschäftsführung zurückgezogen. Die Einkünfte aus dem immer noch größten Teilemarkt auf dem europäischen Kontinent hat er in sein legendäres „Automuseum Dr. Carl Benz“ in Ladenburg gesteckt, das er vor 20 Jahren in der originalen Fabrikhalle der Autofirma der Söhne des Erfinders eröffnet hat. „Jetzt zum 20-jährigen Jubiläum ist die letzte Rate abbezahlt, unsere Tochter Julia und unser Sohn Marcel führen die Geschäfte weiter.“ Die Veterama bleibt ein Familienbetrieb und familiär wie eh und je.

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