Wenn in diesen Zeiten jemand in einem großen Wagen auf große Fahrt geht und um Spenden bittet, dann muss schon die Frage erlaubt sein, ob die Kohle für den Sprit ist. Thilo A. Bauer schüttelt den Kopf und lacht, so weit sei es noch nicht gekommen. Es läuft alles im grünen Bereich, wie im vergangenen Jahr auch.
Traumroute durch Europa
Damals, im September 2021, sind Thilo und Ehefrau Karin Bauer mit ihrer betagten S-Klasse, Baujahr 1988, durch Europa gekurvt – auf einer Traumroute. Der Eindruck drängt sich auf, wenn die beiden von der Reise erzählen. Oder wenn man das Fotobuch durchblättert, das Karin Bauer, Chefin einer Druckvorstufe, ihrem Mann, dem Chef einer Werbeagentur, hinterher geschenkt hat: der Daimler am Gipfel des St.-Bernardino-Passes, an der Cote Azur, in einer spanischen Wüstenlandschaft – oder das Paar freudestrahlend, vor dem Atomium in Brüssel, auf der Haube des Mercedes sitzend. Los ging’s im bayrischen Bad Aibling, auf dem Gelände der Schlossbrauerei Maxlrain. Der südlichste Punkt war das spanische Valencia, Ziel die belgische Hauptstadt.
Auf 5000 Kilometern 6800 Euro gesammelt
Hinterher hatte der Daimler gut 5000 Kilometer mehr auf dem Tacho und das Team Karmarleen, wie die Bauers sich nennen, 6800 Euro für einen gemeinnützigen Zweck gesammelt. Genau: für den Förderverein für krebskranke Kinder Tübingen. „Das Geld“, erklärt Bauer, damit niemand den Gag mit den Spritkosten in den falschen Hals bekommt, „kriegen wir gar nicht in die Hände. Das lief über das Online-Portal Betterplace.org und ging komplett an die Tübinger.“
Freunde und Geschäftsfreunde haben das Projekt der Bauers gesponsert, die mit ihren beiden Kindern in Aidlingen im Landkreis Böblingen leben und in Stuttgart-Vaihingen arbeiten. Die durften nicht nur Geld geben, sondern den beiden auch über soziale Medien folgen. „Die sollten schließlich auch was für ihr Geld haben“, sagt Karin Bauer.
Navigiert wurde mittels Karte
Karin und Thilo Bauer waren nicht die einzigen, die sich zur „European 5000“ und zum kürzeren „Mountain Summit“ auf den Weg machten. 250 Old- und Youngtimer sind vergangenen September vom Hof der Brauerei gerollt. Das Reglement war dem Alter der Karossen angepasst, navigiert wurde mittels Karte. Autobahnen waren tabu, außer es galt, eine Metropole zu umfahren.
Mit dem Mercedes 300 S hatten die Autofans aus dem Schwäbischen, die regelmäßig auch beim Solitude Revival mit von der Partie sind, noch mit das komfortabelste Fortbewegungsmittel gewählt. Aus Berlin kam, in Skiklamotten eingehüllt, ein Team im offenen VW Buggy angereist. Ein Feinkosthändler aus Hamburg absolvierte die komplette Strecke auf seiner Vespa. Das Schlusslicht bildete ein ADACler mit einem ausrangierten Dienstwagen der Pannenhelfer. „Der hat dafür einen Teil seines Jahresurlaubs genommen“, erzählt Bauer. Wenn einer liegen blieb, war der Gelbe Engel ehrenhalber mit seinem Passat aus den 1980er Jahren oft die letzte Rettung.
Was soll der Dachkoffer auf der S-Klasse?
Wer sich über den Dachkoffer auf der S-Klasse wundert, wo doch die stattliche Limousine mit zwei Erwachsenen an Bord nicht ausgelastet sein dürfte, wird von Karin Bauer aufgeklärt: „Da ist unser ausklappbares Dachzelt drin.“ Merke: Wer S-Klasse fährt, steuert nicht automatisch ein Grand Hotel an, sondern weiß unter Umständen auch die Unkompliziertheit eines Campingplatzes zu schätzen.
Auch in diesem Jahr geht das Team Karmarleen mit dem Mercedes wieder auf die Strecke, schon im Mai. „Knights of the Island“ heißt die Tour, die rauf bis ins schottische Hochland führt. Selbstverständlich auch 2022 nicht nur allein wegen der Freude am Fahren, sondern für eine gute Sache.