Nicht nur Landwirtschaft, Straßendienst und Bundeswehr setzen auf den Unimog. Auch unsere Autorin ist regelmäßig damit unterwegs.

Schwäbisch Gmünd - Es ist nicht lange her, da war ein Unimog für mich einfach nur ein kleiner Lastwagen mit einem großen Mercedes-Stern auf dem Kühlergrill. Ich habe dazugelernt. Heute weiß ich: der Unimog ist ein automobiles Lustobjekt.

 

Diese Erkenntnis habe ich Männern wie Friedrich Knauer von der Oldtimerwerkstatt in Weinstadt-Endersbach zu verdanken. Früher hätten die Liebhaber klassischer Automobile einen Porsche 356, einen Mercedes 180 Ponton oder einen Opel Rekord Coupé besessen, erzählt er. Aber die Szene habe sich gewandelt. "Es gibt immer mehr Fans von Traktoren und Kleinlastern", sagt Knauer. "Solche Spielzeuge gehören mittlerweile für viele zur Sammlung dazu." Auch betuchtere Kunden hätten neben ihren Limousinen, Coupés und Cabrios nun einen Unimog in der Garage stehen. Als Spaßmobil. Und durchaus auch als lukrative Geldanlage.

Die Restaurierung eines Nutzfahrzeugs ist nicht weniger aufwendig als die eines alten Personenwagens, auch wenn weniger Technik unter und weniger Chrom an der Karosserie stecken. Kauers Arbeitspensum hängt vom Anspruch des Kunden ab - und der ist mitunter weit höher, als das historische Vorbild verlangt: "Es kommen zunehmend Premiumanfragen." Besonders pedantische Sammler legen selbst beim Ur-Unimog Wert auf Spaltmaße wie bei einer modernen Mercedes S-Klasse. Dabei wurden Türen früher nach dem Motto eingepasst: Hauptsache, sie gehen zu, und es läuft kein Wasser ins Fahrerhaus.

"Unser Unimog ist ein Stinker!"

Auch mein Mann hat sich in einen Unimog verschossen. Das hochbeinige Gefährt, von Friedrich Knauer in mühsamer Handarbeit auseinander- und wieder zusammengebaut, gehört seit einiger Zeit zu unserem Haushalt. Baujahr 1979, sechs Zylinder, 130PS, aus Bundeswehrrestbeständen, von Tarnfarben in Vanillegelb umlackiert. Mein Mann sagt "Sand" dazu.

Auf der Ladefläche ist eine lauschige Holzbank montiert, auf der früher die Bundeswehrsoldaten Platz genommen haben. Bei zivilen Fahrten darf man leider nicht darauf sitzen, aber immerhin bei einer Picknickpause. Als Beifahrerin nehme ich bei gutem Wetter unter dem Loch im Kabinendach Platz, der Lukendeckel verwandelt unseren Unimog quasi in ein Cabrio. Rechts davon, neben der Windschutzscheibe, ist der schwarze Auspuff wie ein Kaminrohr montiert. Wie gut, dass der Fahrtwind von vorn kommt, denn von hinten riecht's ziemlich arg nach Dieselruß. Ich gebe zu: Unser Unimog ist ein Stinker!

Er hat aber auch gute Eigenschaften. Bei seinem Hersteller Mercedes-Benz heißt es hinter vorgehaltener Hand, es sei ein Riesenfehler, dass der Kleinlaster seit jeher grundsolide gebaut und deshalb praktisch unkaputtbar sei. Bei Sammlern macht ihn gerade dieser Umstand so beliebt.

Der Weg ist das Ziel

Vom Anbeginn an überwog bei seinen Konstrukteuren das praktische Denken: Die Spurweite von 1270 Millimetern entsprach der Breite von zwei Kartoffelreihen auf einem gewöhnliche Acker. Schließlich war der Unimog in erster Linie für den Einsatz in der Landwirtschaft gedacht. Schnell eroberte er auch Wald, Wiesen und anderes rutschiges Terrain. Die Geländegängigkeit des Allradlers ist längst legendär.

Ein Sommersonntag, Unimog-Treffen bei Adelberg im Landkreis Göppingen. Die stolzen Besitzer diverser Modelle mit H-Kennzeichen sind ins beschaulichen Waldachtal getuckert. Im Grillwagen rotieren die Hähnchen, auf dem Rost verbrennen die Würste, dazu gibt's Fanta für die Fahrer und Bier für die Co-Piloten. Im Zelt machen die Mücken vom nahen Mühlweiher Jagd auf nackte Waden. Die Unimog parken auf der Wiese und werden neugierig beäugt, bis einer ruft: "Wir machen jetzt eine Ausfahrt!" Blaue Schwaden steigen über dem Waldachtal auf, und die Karawane zuckelt los. Wohin? Völlig egal. Der Weg ist das Ziel.

Ein paar Wochen später. Heute lautet unser kühner Plan: Wir wollen mit unserem Unimog an einem richtigen Oldtimerrennen teilnehmen. Der Veranstalter der Hanhart Rallye Solitude Historic, Detlef Brumm, lacht heiser, als wir um eine Starterlaubnis bitten. "Mitrutschen" dürften wir gerne auf einer Etappe - aber nur durch den Schwarzwald. Als Nachhut, dann wären wir auch kein Verkehrshindernis.

Im Gewehrfach steckt der Regenschirm

Samstagmorgen vor dem Schloss Solitude. Die Fahrer der alten Bugatti und Porsche schauen ein wenig pikiert, als unser Unimog über die gepflasterte Auffahrt hoppelt. Beim Start fragen wir uns: Passen wir mit dem Unimog unter dem aufblasbaren Tor durch? Haarscharf geht die Sache gut.

Unsere Zeit wird nicht gemessen, wohl um uns Schande zu ersparen. Die anderen Teilnehmer der Rallye sehen wir nur, wenn wir eine Wertungsprüfung auslassen - was dringend geboten ist, denn sonst würden wir nie ans Ziel kommen. Als wir mittags den Zwischenstopp erreichen, den Jägerhof in Karpfenhardt, brechen die ersten Fahrer schon wieder auf. Wer noch auf der sonnigen Terrasse sitzt, schaut demonstrativ auf seine dicke Uhr am Handgelenk.

Weiter geht's. Im Gewehrfach steckt der Regenschirm, den wir heute nicht brauchen, weil die Sonne ihr Bestes gibt. Wir sind ebenfalls strahlend gelaunt und steuern unser Dickerchen über kurvenreiche Schwarzwaldsträßchen. "Schlechter Weg", heißt es im Roadbook. Wenn den einer passieren kann, dann wir! Maximal 2,8 Tonnen warnt bald darauf ein Schild, wir wiegen 5,6. Aber es führt kein anderer Weg durch den Wald. Also machen wir uns federleicht, wagen kaum zu atmen - und kommen durch, ohne dass der Boden unter unseren Rädern nachgibt. Kurz vor dem Ziel Böblingen streikt der Unimog und lässt sich auch durch gutes Zureden nicht wieder starten. Diagnose: verdreckter Dieseltank.

Gute Dienste für die Rebflurbereinigung

Wir schaffen es dann doch noch nach Böblingen, indem wir reichlich Diesel in den Unimog pumpen und so den Dreck verdünnen. Und am Abend eines langen Tages mogeln wir uns sogar noch für eine Spazierfahrt auf die für den nächsten Tag bereits abgesperrte Solitude-Rennstrecke.

Das Oldtimer-Rennen am Sonntag schenken wir uns, stattdessen schauen wir bei dem Fellbacher Wengerter Gert Aldinger vorbei. Ausnahmsweise nicht, um seinen Wein zu probieren, sondern um seine drei Unimog zu bestaunen.

Sein ältestes Schmuckstück ist Baujahr 1952 und hat 25 PS. Es war zunächst als Werksfahrzeug bei Daimler im Einsatz, die Straßenzulassung wurde 1958 erteilt. Im Jahr 1964 kaufte Aldingers Vater den Minilaster, ließ ihn von Blau auf Grün umlackieren und setzte ihn im Weinberg ein. Dort leistete er mit seiner Seilwinde, die auch heute noch wie die Pumpe oder die Winker original erhalten ist, bis 1968 gute Dienste als Steinezieher bei der Rebflurbereinigung. Im selben Jahr verkaufte ihn der Vater an einen Freund - und vor einem Jahr holte ihn der Sohn zurück in die Familie.

"Man lernt mit ihm die Langsamkeit"

Ab und zu ist der Unimog noch im Wengert im Einsatz. Bei schönem Wetter fährt Aldinger auch mal ein paar Flaschen mit ihm aus, etwa zu Vincent Klink auf die Wielandshöhe. "Schon etwas gesponnen", bekennt der Weinmacher, der von sich selbst sagt, dass er alles andere als ein Autofreak sei. "Ich häng deshalb so an diesem Unimog, weil ich auf ihm als Bub in den Weinbergen das Schwarzfahren gelernt hab."

Auf dem Heimweg denke ich an meine ersten Fahrversuche mit dem Traktor, beim Heu machen im Allgäu. Der Nutzfahrzeugfunke hat bei mir nicht recht gezündet. Dafür ist mein Mann umso mehr fasziniert vom Unimog. "Man lernt mit ihm die Langsamkeit", sagt er und beschleunigt auf 90 Kilometer. Und man sitzt höher als alle anderen." Da hat er recht, denke ich beim Panoramablick auf die Spätsommerlandschaft. Wird es doch noch Liebe? "Marmor, Stein und Eisen bricht", steht auf der Homepage der Unimog Community, "aber der Unimog nicht." Ein Nutzfahrzeug kommt ins Rentenalter: Schwäbisch Gmünd lädt zur Geburtstagsschau" title="Spitzengeschwindigkeit. "Und man sitzt höher als alle anderen." Da hat er recht, denke ich beim Panoramablick auf die Spätsommerlandschaft. Wird es doch noch Liebe? "Marmor, Stein und Eisen bricht", steht auf der Homepage der Unimog Community, "aber der Unimog nicht."

Historie Der Unimog gilt als Gmünder Entwicklung. Dort schloss der ehemalige Leiter der Flugzeugmotorenentwicklung von Daimler-Benz, Albert Friedrich, 1945 einen Produktionsvertrag mit der Gold- und Silberwarenfabrik Erhard & Söhne. Das Universal-Motor-Gerät war ursprünglich nur für die Landwirtschaft gedacht. Von 1949 an wurde der Unimog bei der Boehringer Werkzeugmaschinen GmbH in Göppingen in Serie gebaut; 1951 übernahm Daimler-Benz die Produktion. Der Bullenkopf im Logo wich dem Stern. Mehr als 50 Jahre lang wurde er in Gaggenau gefertigt; seit 2002 wird er in Wörth produziert."