Milo Weaver, ehemals einer der Männer fürs Dreckige bei der CIA, ist draußen. Aber damit geht nur das alte Spiel im Dunkeln unter erschwerten Bedingungen weiter.

Stuttgart - Milo Weaver ist draußen aus dem Geheimdienstgeschäft.Das möchte er auch bleiben, aber so einfach ist das nicht. Er war einer der Touristen. Was in diesem Fall heißt, kein Urlaubsreisender mit der Knipsekamera, sondern Angehöriger einer offiziell nicht verzeichneten Abteilung der CIA. Die Touristen übernehmen rund um den Globus die Drecksarbeit der Imperiumssicherung. So etwas hinterlässt trotz aller professionellen Absicherung Narben, Hass und Rachsucht beim Gegner, Misstrauen, Verachtung – und vielleicht auch Neid – bei den eigenen Leuten.

 

Die Spiele der Dienste

In Olen Steinhauers Roman „Die Spinne“ wird Weaver also wieder hineingezogen in die alten Händel. Aber das wirkt keinen Moment wie das Aufwärmen des schon mal Erzählten, ist kein pflichtschuldiger Gig einer eingeführten Romangestalt vor den Leserfans, die das Konzert vom letzten Jahr noch mal erleben möchten. Steinhauer, Jahrgang 1970, ist ein Mann mit einem Plan.

Er erzählt nicht deshalb weiter, weil sich das vorige Buch halbwegs verkauft hat, sondern weil die Geschichten eben nicht zu Ende sind. Weil die Länder und Geheimdienste ihre Spiele weitertreiben. Und weil die, die noch einmal eine Runde überlebt haben, wissen, dass es Ausstiegschancen nicht wirklich gibt. Die Geschichte der Tourismus-Abteilung hat Steinhauer auf drei Romane angelegt. „Die Spinne“, im Original „An American Spy“, firmiert also als Abschluss der Trilogie. Trotzdem ist am Ende jedem Leser klar, dass sich da noch viel erzählen ließe.

Perpetuum Mobile

Steinhauer bleibt nicht auf der US-Seite der Linie. Dass er uns den chinesischen Geheimdienstmann Xin Shu von nahem zeigt, dient allerdings nicht dem warzengenauen Ausmalen der gelben Gefahr. Mit diesem Mann, der innerhalb der komplexen Macht- und Intrigenstruktur seiner Dienste eine private Vendetta vorantreibt, hat Steinhauer die anrührendste Figur der Trilogie geschaffen.

Wobei es dem in Ungarn lebenden US-Autor nicht so sehr um bloße Psychologie zu gehen scheint als um die Wechselwirkung von Individuen und Strukturen. Steinhauer erzählt, wie Menschen und Geheimpolitik immer wieder so aufeinander einwirken, dass wir ein Perpetuum Mobile des Schreckens vor uns haben: ständig speist sich ein Winkelzug aus dem anderen.

In dunkler Arena

Steinhauers Arbeit wird oft nahe an die von John Le Carré gerückt, was als Lob auch zulässig ist. Allerdings führt Le Carré noch immer komplexere Charaktere vor und sein aufklärerischer Impetus ist größer. Aber dass Steinhauer näher dran ist an den genretypischen Du-oder-ich-Gladiatorenkämpfen in verdunkelter Arena als Le Carré das mittlerweile sein will, muss man nicht als Makel verbuchen.

Er kommt tatsächlich von den Abenteuergeschichten her, wie sie Ian Fleming oder in sehr viel skeptischerer Form Robert Ludlum schrieben. Aber Steinhauer ist bedachter, intelligenter, sensibler in seinem Umgang mit dem Material. Er arbeitet nicht nur nach der Methode „Was kann ich daraus Spannendes machen?“, er nutzt den Gedanken „Was würde denn unter diesen Voraussetzungen wohl passieren?“ für eine skrupulösere, aber nicht weniger bannende Entwicklung des Materials.

„Die Spinne“ lässt sich übrigens, nachdem man einen ziemlich konzentrierten Info-Flash zu Beginn des Romans verarbeitet hat, auch ohne Kenntnis der Vorgängerromane lesen und verstehen. Aber es wäre ein wenig widersinnig, „Der Tourist“ und „Last Exit“ auszulassen. Wenn schon mal einer eine fettfreie Trilogie vorlegt ...

Olen Steinhauer: „Die Spinne“. Roman. Aus dem Englischen von Friedrich Mader. Heyne Verlag, München. 496 Seiten, 16,99 Euro. Auch als E-Book, 13,99 Euro.