Der Manager der Nationalelf will die Fußballer von Bayern München in Frankreich aufpäppeln.

Tourrettes - Der große Fernsehraum im noblen Hotel Four Seasons Terre Blanche leerte sich in Windeseile. Der Bayern-Schock traf auch Joachim Löw und die Fußball-Nationalspieler, die in Südfrankreich gemeinsam die bittere Niederlage der Münchner im Champions-League-Finale vor einer großen TV-Leinwand miterlebt hatten, mit voller Wucht.

 

„Nach der Entscheidung war Ruhe. Stille und Betroffenheit“, schilderte Teammanager Oliver Bierhoff die Reaktionen nach dem Elfmetersieg des FC Chelsea. „Fußball ist manchmal brutal“, kommentierte Löw das Bayern-Drama, dessen Auswirkungen auch der DFB-Chefcoach in den kommenden Tagen noch hautnah spüren wird.

Mit dem Mitleid für die acht betroffenen Münchner EM-Spieler oder sogar einer Gefahr für die EM-Mission der schwarz-rot-goldenen Boygroup wollte sich die Sportliche Leitung der Nationalmannschaft aber schon am Sonntag nicht mehr aufhalten. Der Bundestrainer bat die Spieler, die er bisher für die EM-Vorbereitung zur Verfügung hat, zu einer weiteren intensiven Übungseinheit auf die neue Sportanlage von Tourrettes. Bierhoff nutzte die Erkenntnisse aus dem dramatischen Finale von München gleich für einen mahnenden Blick nach vorn: „Es kann auch ein großer Warnschuss für die Europameisterschaft sein.“

"Sie haben fast alles richtig gemacht"

„Natürlich sind wir jetzt alle erstmal enttäuscht und traurig“, hatte Löw unmittelbar nach dem nächtlichen TV-Konsum erklärt. Die Aufarbeitung will der Perfektionist auch für einen positiven Effekt nutzen. Löw bescheinigte den Bayern eine tolle Leistung in der Königsklasse: „Sie haben fast alles richtig gemacht im Finale, nur das Glück hat gefehlt. Schade für München, für Deutschland und für alle Fußball-Fans.“ Der Erfolg des FC Chelsea habe auch gezeigt, „dass nicht immer der Favorit oder die beste Mannschaft nach vorne rücken“, betonte Bierhoff mit Blick auf das EM-Turnier ab 8. Juni in Polen und der Ukraine.

Attraktives Spiel, mit dem Mesut Özil und Kollegen die Fans in der Qualifikation begeistert hatten, ist die eine Seite. „Schönspielen ist auch wichtig“, unterstrich der Manager: „Aber man muss auch effizient sein.“ Die Warnung gelte für alle, die nur noch darüber diskutieren würden, ob Spanien oder Deutschland Europameister würde. „Wir werden die Jungs wieder aufbauen“, kündigte Bierhoff an und versprach eine sensible und individuelle Eingliederung der Münchner Fraktion: „Mit uns können sie noch einen Titel gewinnen.“

"Sie werden sich wieder aufraffen"

Bierhoff und Löw sind überzeugt, dass selbst der am Boden zerstörte Bastian Schweinsteiger wieder aufgerichtet und für das Ziel EM-Titel neu motiviert werden kann. Auch andere ganz Große des Weltfußballs mussten schon durch so ein Gefühlstief. Zuletzt hatte Barcelonas Star Lionel Messi mit einem verschossenen Elfmeter den Einzug ins Endspiel der Königsklasse vergeben. „Ich kenne die Spieler. Sie werden sich wieder aufraffen“, unterstrich Löw.

Ob die Bayern-Akteure nach dem ungeliebten Freundschaftsspiel gegen die holländische Nationalmannschaft wie vorgesehen am Freitag zum EM-Kader stoßen werden, will Löw an diesem Montag entscheiden. Auf jeden Fall soll alles getan werden, um Schweinsteiger und Co. in Tourrettes körperlich und auch mental wieder in die Spur zu bringen. Jeder könne doch annähernd mitfühlen, „was in uns vorgeht“, erklärte WM-Torschützenkönig Thomas Müller, der nach seinem 1:0 gegen die Engländer wegen einer Wadenblessur vom Platz geholt wurde.

Die Findungsphase der Bayern-Spieler wird deshalb auch ein wenig länger dauern als etwa vor der WM 2010, als die Münchner ebenfalls nach dem verlorenen Königsklassen-Endspiel zur Nationalelf gekommen waren. „Man darf sich nicht vorstellen, dass wir irgendeinen Zaubertrank rausholen und mit einem Gespräch alles erledigt ist. Das ist ein Prozess“, sagte Bierhoff. Der Manager verwies auf die unterschiedlichen Wege bei der Eingliederung. „Da ist die Empathie von uns und von unserem Sportpsychologen Hans-Dieter Hermann gefragt.“ Löw sieht keinerlei Gründe für Kapitän Philipp Lahm und dessen Kollegen, „an den eigenen Qualitäten“ zu zweifeln.