Der Radprofi Tony Martin geht an diesem Mittwoch im Zeitfahren bei den Spielen in Rio de Janeiro an den Start und hofft auf Bronze. Die Strecke ist für ihn zu bergig – er ist in dem Rennen ohnehin nur der Underdog. Ein Medaille hat der 31-Jährige aber noch nicht abgeschrieben.

Rio de Janeiro - Es gab Zeiten, da träumte Tony Martin davon, ein großer Rundfahrer zu werden und bei der Tour de France unter die besten zehn zu kommen. Also stellte der Radprofi sein Training um, und er nahm, obwohl er nicht gerade an Übergewicht litt, noch ein paar Kilo ab. Ein großer Rundfahrer ist Tony Martin (31) trotzdem nicht geworden. Dafür ist seine große Stärke auf der Strecke geblieben.

 

Der Mann aus Cottbus, der in der Schweiz lebt, war jahrelang der dominierende Zeitfahrer. Er wurde Weltmeister 2011, 2012 und 2013, gewann fünf Etappen bei der Tour. Doch seit rund einem Jahr tickt der Radsport anders, wenn es um den Kampf gegen die Uhr geht: Martin ist auf der Suche nach der Form, was nicht einfach ist, wenn man keine Ahnung hat, warum man sie verloren hat. „Ich bin derzeit nicht absolute Weltspitze“, sagt er vor dem olympischen Zeitfahren an diesem Mittwoch (15 Uhr/MESZ) in Rio de Janeiro, „ich suche nach Erklärungen dafür. Es ist einfach eine Talsohle, die jeder Sportler mal akzeptieren muss.“ Und aus der es keine beschilderte Ausfahrt gibt.

In Rio sind andere Qualitäten gefragt

Erschwerend kommt hinzu, dass Martin auch Steine in den Weg gelegt werden, für die er nichts kann. Schon als er im September des vergangenen Jahres erstmals die 54,6 Kilometer lange Zeitfahrstrecke mit Start und Ziel an der Copacabana besichtigte, wusste er: Hier wird er kaum gewinnen können. Warum? Weil es viel zu bergig ist. Die Tempobolzer müssen zwar nicht über die Vista-Chinesa-Runde mit dem 8,5 Kilometer langen Anstieg, an dem sich am Sonntag das Straßenrennen entschied – auch wegen etlicher schlimmer Stürze. Aber auch der Grumari-Kurs mit einem 1,2 Kilometer langen Anstieg (bis zu 13 Prozent) und einem weiteren Hügel (2,1 Kilometer/maximal sechs Prozent) dürfte zu schwer sein für Martin. Er ist stark, wenn es lange gerade ausgeht. Dann kann er länger als alle anderen dank seiner Kraft, Ausdauer, Willensstärke und der optimalen Sitzposition ein hohes Tempo halten. In Rio sind andere Qualitäten gefragt. Und deshalb andere die Favoriten.

Goldkandidat Nummer eins ist Chris Froome. An dem britischen Tour-Sieger lief das Straßenrennen am Sonntag taktisch vorbei, er war nie zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das ist im Kampf gegen die Uhr einfacher. Aufpassen muss er vor allem Tom Dumoulin (Niederlande). Tony Martin? Hofft auf Bronze. Und wird, egal wie es schließlich endet, seinen olympischen Traum nicht aufgeben. Auch wenn die Zeit langsam abläuft.

2012 galt er als großer Favorit, brach sich aber kurz vor den Sommerspielen bei der Tour das Kahnbein. In London wurde er Zweiter hinter Bradley Wiggins. Nun wird wohl in Rio die Topografie nicht mitspielen. Und 2020 in Tokio wird er 35 Jahre alt sein – und trotzdem endlich Olympiasieger werden?

Versuchen will er es. Weil er noch Spaß hat am Zeitfahren. Weil er motiviert ist, noch einmal an sein früheres Niveau heranzukommen. Und weil er die Gewissheit hat, dass ihm in Tokio die Streckenplaner keinen Strich durch die Rechnung machen können. „Zu bergig“, sagt Martin mit einem Schmunzeln, „kann es dort nicht sein.“

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