Sie war sauer und enttäuscht, bleibt aber kämpferisch: Eisschnellläuferin Claudia Pechstein will trotz ihrer klar verpassten Medaille in Peking mit fast 50 Jahren wieder angreifen.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Pyeongchang - Das Rennen war vorbei, bevor es zu Ende war. Nach 2800 Metern war das 5000-Meter-Rennen für Claudia Pechstein gelaufen – es kam nicht mehr die nötige Kraft aus den Beinen, um die anvisierte Zeit von 6:54 Minuten zu schaffen. 32 Sekunden auf der 400-Meter-Runde im Ice Oval in Gangneung wären dazu nötig gewesen, das war der Plan. „Ich weiß nicht, woran es lag“, sagte Claudia Pechstein kurz angebunden, „es ging nichts mehr, dann überlegt man, warum das so ist – und findet keine Lösung.“ Die letzten sechs Runden ihrer Paradestrecke absolvierte die Berlinerin mit Dreiviertel-Gas – auf der Ergebnisliste tauchte ihr Name auf Rang acht auf; 15,2 Sekunden hinter der Siegerin Esmee Visser aus den Niederlanden.

 

Formular für Doping-Probe zerrissen

Für die anvisierte Medaille hätte die alte Dame des Eisschnelllaufes ihre Sollzeit um zwei Hundertstel unterbieten müssen, Natalia Voronina aus Russland gewann Bronze in 6:53,98 Sekunden. „Auch unsere Zeit hätte nicht zur Medaille gereicht“, sagte Pechsteins Lebensgefährte Matthias Große, der in Pyeongchang als Mentalmanager akkreditiert ist. Und die fünfmalige Olympiasiegerin fügte frustriert an: „Ob Achte oder Vierte, das ist doch scheißegal. Alles oder nichts.“ Die viel spannendere Frage, was denn nun passiere – die 45-Jährige wollte unbedingt ihre zehnte Olympia-Plakette gewinnen – beantwortet sie schnippisch und ironisch. Ist die Teilnahme in Peking in vier Jahren ein Ziel? „Wenn ich da noch lebe und gesund bin.“ Sagte es, schaute Matthias Große fragend an, der nickte – und das Paar entschwand. Zuvor hatte sie noch wütend das Formular für den Dopingtest zerrissen, als unmittelbar nach dem Rennen die Doping-Kontrolle vor ihr standen.

Das ist Claudia Pechstein, die ewig Getriebene auf ihrer Mission gegen Eisschnelllauf-Weltverband ISU, den sie mit ihren Starts auf großen Bühnen stets daran erinnern will, dass sie aus ihrer Sicht völlig zu Unrecht wegen überhöhter Blutwerte von 2009 bis 2011 gesperrt worden ist. Mit guten Resultaten will sie die Funktionäre um ISU-Präsident Jan Dijkema ärgern. Auch dieser Plan ist nicht aufgegangen, der Generationswechsel hat endgültig stattgefunden.

Hörmann spricht Mut zu

Olympiasiegerin Visser ist mit 22 nicht einmal halb so alt wie die Deutsche – und wem Pechstein damit einen Gefallen täte, würde sie ihre Karriere fortsetzen, bis sie knapp 50 ist, ist nach den 5000 Metern von Gangneung nicht klar. Die Liste der Sportler, die die richtige Zeit des Abgangs verpasst haben ist lang, und nicht wenige haben damit ihren Namen beschädigt, weil sie nur mehr als trauriges Abziehbild eines Stars erschienen. An diesem Abend spendeten die Zuschauer warmen Applaus nach dem Rennen für die sechsmalige Weltmeisterin, auch Alfons Hörmann sprach ihr Mut zu. „Natürlich ist es schade für sie. Wir hätten es ihr alle von Herzen gegönnt. Ich bin mir sicher, sie hat wie immer im Leben alles gegeben“, sagte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, der Pechstein längst rehabilitiert hat.

Im Ziel hatte die streitbare Berlinerin auf ihre berühmte Geste verzichtet – sie hielt sich nicht mahnend den Zeigefinger vor den Mund, um ihre Botschaft an den Weltverband zu senden. Und das war nach diesem Ergebnis sicher auch besser so.