Olympia 2021 in Tokio Die Hitze und die erhitzten Gemüter

Schon am Vormittag klettern die Temperaturen in Tokio auf 44 Grad Celsius. Foto: dpa/Michael Kappeler

Die Olympischen Sommerspiele in Tokio könnten die heißesten der Geschichte werden – bei den Athletinnen und Athleten glühen Köpfe und Füße.

Tokio - Die Olympischen Spiele in Tokio sind erst vier Tage alt, doch schon jetzt ist klar, welche drei Themen bis zur Schlussfeier wichtig bleiben werden. Die Coronalage. Der Ausschluss von Zuschauern. Und das Wetter.

 

Forscher haben ermittelt, dass die Sommerspiele in Japan die heißesten der Geschichte werden dürften. Bislang hält Los Angeles den Rekord, 1984 wurden in den zwei Wettkampfwochen an der Westküste der USA durchschnittlich 32,1 Grad gemessen. Nun sagt Haruo Ozaki von der Medizinervereinigung in der japanischen Hauptstadt: „Es ist schon lange bekannt, dass es höchst problematisch ist, die Spiele im Juli und August abzuhalten.“

Das allerdings war die Forderung des TV-Giganten NBC – die Olympiaübertragung durfte keinesfalls mit dem Start der nordamerikanischen Football-Liga NFL kollidieren, die ihre Saison Anfang September beginnt. Das IOC richtete sich nach seinem potentesten Geldgeber, nun sind die Folgen dieser Terminwahl zu spüren: In Tokio steigt der Grad der Erregung.

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„Der Kopf glüht, aber auch die Füße. Der Boden ist unglaublich heiß“, stöhnte Nike Lorenz, die Kapitänin des deutschen Hockeyteams, nach dem 2:1-Auftaktsieg gegen Großbritannien. Und Torschützin Charlotte Stapenhorst meinte: „Ich spiele schon lange international, aber eine solche Hitze auf dem Platz habe ich noch nicht erlebt.“ Ein ähnliches Gefühl haben derzeit viele Athleten, die ihre Wettkämpfe draußen bestreiten. Auch Tennisprofi Alexander Zverev sehnt sich nach einer Abkühlung, am liebsten in einem Eisbad. „Auf dem Gelände gibt es keines, wegen der Coronaregeln“, sagte er. Und auch im Olympischen Dorf fehlt es an Möglichkeiten: „Unser Zimmer hat keine Badewanne.“

Zu viel Substanz kosteten die Hitze und die extrem hohe Luftfeuchtigkeit bislang zwei Athletinnen. Im Hafen von Tokio sind die Ruderer der Sonneneinstrahlung auf der spiegelnden Wasseroberfläche besonders ausgesetzt. Die Deutsche Leonie Menzel war nach ihrem Vorlauf so erschöpft, dass sie in einem Rollstuhl sitzend abtransportiert werden musste – zum Glück erholte sie sich schnell wieder. Die russische Bogenschützin Swetlana Gombojewa erlitt in der Qualifikation einen Hitzschlag, Ärzte brachten sie ins Olympische Dorf. Der frühere Zehnkämpfer Frank Busemann, in Tokio TV-Experte des ZDF, betrachtete die Bilder mit Sorge. „Der menschliche Körper ist ein Wunderwerk, aber auch nicht unbegrenzt belastbar“, sagte er, „vor allem für Ausdauersportler sind solche extremen Bedingungen natürlich Gift.“

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Einer der Hotspots in Tokio ist die Beachvolleyballarena. Deren Erbauer haben an alles gedacht, nur nicht an Schatten. Es gibt kein Dach, keine Planen, keine Schirme. Dafür Sonne pur. Und Sand, der sich unter den Fußsohlen auf bis zu 50 Grad aufheizt. Die Einheiten auf den Trainingsplätzen werden immer wieder unterbrochen, wenn es zu sehr brennt. In den Spielen ist das nicht vorgesehen. Andererseits sind gerade Beachvolleyballer an heiße Duelle gewohnt. „Wir erleben so eine Hitze ja nicht zum ersten Mal“, sagten die beiden Deutschen Clemens Wickler und Julius Thole schon vor dem Abflug nach Tokio, „irgendwie werden wir es auch diesmal überleben.“

In ganz anderen Kategorien denken Karla Borger und Julia Sude. Auch sie trinken bei jedem Seitenwechsel. Auch sie bewegen sich, wenn kein Ball im Spiel ist, in Zeitlupe durch den Sand. Ansonsten sind aber nicht die hohen Temperaturen („Je heißer es ist, umso besser spielen wie normalerweise“) ihr Problem. Sondern dass sie bisher nicht cool genug sind, um die Zahl ihrer leichten Fehler zu reduzieren. Am Montag verlor das Stuttgarter Duo auch sein zweites Spiel, diesmal mit 0:2 (17:21, 14:21) gegen die kanadischen Weltmeisterinnen Sarah Pavan und Melissa Humana-Paredes. Danach sagte Karla Borger: „Ich habe auf dem Platz null Hitze empfunden.“ Sondern eher Frust.

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Zugleich dürfen all jene, die an den ersten Tagen in der Sonne gelitten haben, vorübergehend auf Entspannung hoffen. Vor Japan hat sich der Tropensturm „Neparak“ gebildet, am Mittwoch soll er auf Land treffen – was wohl niedrigere Temperaturen, aber auch heftigen Wind bedeutet, der vor allem den Wassersportlern in der Bucht von Tokio Probleme bereiten könnte. Allerdings nicht allen. „Es sind Wellen auf dem Weg“ schrieb der australische Surfer Owen Wright bei Instagram. „Let’s go!“

Was nur zeigt: Optimismus ist natürlich auch bei Olympischen Spielen ein gutes Mittel, um Themen anzugehen. Sogar die ganz wichtigen.

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