So schlimm wie angenommen ist es bei den Olympischen Spielen in Tokio nicht. Eine Vielzahl von Athleten urteilt inzwischen positiv über die Atmosphäre und Stimmung - und sogar über das doch viel freiere Leben im Athletendorf.

Tokio - Viele Athleten sind mit Ängsten, Befürchtungen, Sorgen und ohne die Illusion vom unbeschwerten Olympia-Festival nach Tokio gereist. Nach der Hälfte der umstrittenen Pandemie-Spiele hat sich die Bewertung gewandelt, sind aus den Vorurteilen und der großen Skepsis immer mehr Anerkennung und Lob - auch in höchsten Tönen - geworden. „Was fehlt, sind die Zuschauer“, sagte Sideris Tasiadis, Bronzegewinner im Kanuslalom. „Wenn sie dabei gewesen wären, wären es die besten Spiele geworden, die es jemals gegeben hat.“

 

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Auch Sportschütze Christian Reitz ist überrascht von der Atmosphäre, der viel positiveren Stimmung und der Organisation der Sommerspiele. „In vielen Bereichen haben es die Athleten vorher zu schwarz gemalt“, sagt der Olympiasieger mit der Schnellfeuerpistole von 2016, der in Tokio keine Medaille gewinnen konnte. „Es ist jetzt gar nicht so schlimm geworden, wie es das eine oder andere vermuten ließ.“

Kein lebloses Treiben

Fahnenträger Patrick Hausding schließt sich dem positiven Zwischenfazit an. „Es war klar, das hier nicht alles perfekt ablaufen wird. Da würden wir uns belügen“, sagte der 32 Jahre alte Olympia-Dritte im Synchronspringen. „Es scheint bisher nach Außen so zu sein, dass wir sehr gute Spiele haben und die Organisatoren in Japan einen sehr guten Job gemacht haben in Sachen Corona-Prävention“, sagte Hausding. „Ich bin sehr zufrieden.“

Der dreimalige Olympia-Teilnehmer genoss sogar das eingeschränkte, aber aus seiner Sicht nicht leblose Treiben im olympischen Dorf: „Abgesehen, dass wir Maskenpflicht und weniger Freizeitaktivitäten haben, ist es, wie ich es von vorherigen Spielen gewohnt bin.“ Die Sorge, im Zimmer eingesperrt zu sein und nur zum Essen in die Mensa gehen zu dürfen, bestätigte sich nicht: „Das wäre heftig gewesen.“

Abstand beim Essen nicht immer gegeben

Begeistert zeigte sich ebenso Taekwondo-Kämpfer Alexander Bachmann von der Stimmung im olympischen Dorf, trotz der strengen Hygiene- und Sicherheitsvorschriften. „Trotz allem fand ich die Atmosphäre hier und das Gefühl, ein Teil von Olympia zu sein, einfach traumhaft“, sagte der 27-Jährige vor seinem Wettkampf. Nach dem frühen Aus in der Gewichtsklasse über 80 Kilogramm war ihm aber alle unerwartete Herrlichkeit egal: „Ich bin froh, nach Hause zu kommen.“

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Synchronspringerin Tina Punzel fand es im Athletendorf nicht total entspannt. „Beim Essen, wenn man in der Schlange steht, überlegt man sich, dass es mit dem Abstand nicht immer so klappt“, schilderte sie, betonte aber: „Es sind besondere Spiele, nicht unbedingt schlechtere.“

Fürsorgliche Gastgeber

Begeistert ist Schwergewichtsboxer Ammar Riad Abduljabbar von den fürsorglichen Gastgebern. „Die Japaner sind sehr, sehr nett, superherzlich“, berichtete er. Judo-Kämpferin Giovanna Scoccimarro schätzt eine andere Eigenschaft der Japaner: „Ihnen ist es immer sehr wichtig, dass alles sehr sauber und gründlich abläuft, was ich sehr gut finde. Deshalb ist die Organisation optimal.“

Der Schwimmer Henning Mühlleitner erlebt die Tokio-Spiele, wie er sich das vorher nüchtern vorgestellt hat. „Es war seit Monaten klar, dass Corona alles überschatten wird. „Die Wettkämpfe sind gleich geblieben: Ich springe ins 50-Meter-Becken und habe meine 400 Meter geschwommen“, sagte der Olympia-Vierte. „Ich hoffe, dass ich noch einmal Olympische Spiele 2024 in Paris erleben kann. Wer weiß, ob es da anders wird.“