Shaun White verabschiedet sich ohne Medaille aus der Halfpipe. Die Snowboard-Ikone wird bei den Olympischen Winterspielen ungewohnt emotional. Für den Amerikaner beginnt ein neuer Lebensabschnitt.

Zhangjiakou - Shaun White weinte hemmungslos. „Vielen Dank, Snowboarding. Du warst die Liebe meines Lebens“, sagte der Superstar unter Tränen. Nach dem verpatzten letzten Lauf seiner Karriere bei den Winterspielen in China hatte der 35-Jährige seine Emotionen noch unter Kontrolle, doch vor der Kamera des US-Fernsehsenders NBC wenige Minuten später konnte sich der dreimalige Olympiasieger schon nicht mehr zurückhalten. „Ich wollte doch nicht weinen“, schluchzte White: „Doch das alles hier ist einfach super emotional für mich.“

 

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Und dieses Ende war seiner unvergleichlichen Laufbahn eigentlich nicht würdig. White verpasste zum Abschied eine Medaille, wurde im Genting Snow Park von Zhangjiakou im Halfpipe-Finale mit 85,00 Punkten Vierter. White stürzte am Freitag im dritten und letzten Lauf, ihm fehlten 2,25 Zähler auf den Schweizer Jan Scherrer auf dem Bronze-Rang. Der Japaner Ayumu Hirano folgte dank einer fast perfekten Leistung mit höchster Schwierigkeit im letzten Versuch auf den Amerikaner als Olympiasieger. Silber gewann der Australier Scotty James. „Für alle, die heute hier gefahren sind, war er ein Kindheitsidol“, sagte Bronze-Gewinner Scherrer über White.

Großer Respekt vor White

Danach kamen sie alle zu White, klopften dem Amerikaner auf die Schultern, umarmten ihn. „Alle anderen haben mir gesagt, dass der Sport und die Tricks ohne mich jetzt nicht so weit wären, wie sie es sind. Das macht mich wirklich glücklich“, sagte der in San Diego geborene Ausnahmekönner. 2006, 2010 und 2018 gewann er jeweils Olympia-Gold, 2014 und nun zum Ende seiner Laufbahn gab es Platz vier. „Ich hätte hier gerne noch mal auf dem Podium gestanden, aber man kann einfach nicht immer alles haben“, sagte der Kalifornier.

White hat diesen Sport geprägt wie niemand sonst. Als Erster bekam er bei einem großen Wettkampf die Maximalpunktzahl von 100, erfand Tricks mit höchster Schwierigkeit wie den Double McTwist 1260, einen Doppelsalto mit dreieinhalb Schrauben. Er war der Held mindestens einer Generation. „Shaun White ist der Größte aller Zeiten. Jeder kennt Shaun White, sogar die Menschen, die sich nicht für Snowboard interessieren“, sagte André Höflich. Der Bayer wurde mit 76,00 Punkten Achter und egalisierte damit das beste Olympia-Resultat eines männlichen deutschen Snowboarders in der Halfpipe. Er war froh, an diesem Tag dabei zu sein: „Das ist für mich eine Riesen-Ehre, Shaun heute gemeinsam mit allen anderen in die Rente zu schicken.“

Beeindruckender Hirano

„Es war ein harter Tag für mich, ich bin trotzdem stolz. Die Jungen haben mir aber gezeigt, wo es mittlerweile lang geht“, sagte White. Dass er in seinem Alter überhaupt noch auf diesem Niveau mithalten kann, zeigt seine ganze Klasse. Bei der irren Flugshow des Japaners Hirano hätte er aber nur zu seinen Hochzeiten mithalten können. Die Konkurrenz verzweifelte jahrelang an White, der zunächst auf dem Skateboard begann und dann im Schnee zum Maß der Dinge wurde.

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Lange Zeit sah es in diesem Winter nicht so aus, als könne White überhaupt ein Ticket für Peking ergattern. Unter anderem warfen ihn eine Knöchelverletzung und eine Corona-Infektion zurück, trotzdem schaffte er es zum fünften Mal zu Winterspielen, die für ihn immer etwas Besonderes waren. „Nichts klingt so gut, wie zu sagen, dass man Olympiasieger ist. Man kann das überall auf der Welt sagen und die Leute werden sich wegen dir umdrehen“, hatte White mal gesagt.

Höflich stark

Nun will er mit etwas Abstand beobachten, wie sich das Snowboarden entwickeln wird. „Ich habe so viele Dinge, für die ich lebe, die mich interessieren“, sagte er. Langeweile fürchtet er nicht. White spielt nebenbei seit Jahren Gitarre in einer Band, hat als Unternehmer eine Reihe von Firmen und Beteiligungen. „Ihr werdet mich wieder sehen, es beginnt nur ein neues Kapitel“, sagte er zum Abschied.

Andre Höflich (Kempten) schaffte es in seinem ersten Olympiafinale auf einen guten achten Platz. „Ich habe es in vollen Zügen genossen und bin sehr stolz, hier zu stehen“, sagte er: „Die Platzierung ist in Ordnung, ich hatte einen geilen Tag in einem Hammer-Finale.“