Abzug gedrückt: Die Ludwigsburgerin Julia Hochmuth will sich bei den Olympischen Spielen in London ganz nach vorn schießen.

Digital Desk: Johannes Röckinger (jor)

Ludwigsburg - Die Anspannung steigt. Nur noch wenige Sekunden, dann ist es soweit. An ihrem Tunnelblick kann man erahnen, wie konzentriert sie ist. Die Zuschauer beginnen zu schweigen. In der Halle herrscht Totenstille. Langsam läuft sie zum Schießstand - jetzt muss alles passen. Gekonnt senkt sie ihren Puls und stoppt so das Zittern ihrer Hände. Im richtigen Moment drückt sie ab. Volltreffer. Auch die nächsten Schüsse sitzen gut. Mit dem zehnten und letzten Schuss fällt die ganze Anspannung ab.
Julia Hochmuth betreibt einen Höchstleistungssport. Einen Sport, der ihr geistig alles abverlangt. Sie ist Sportschützin und das schon von klein auf.

 

Am 5.12.1987 wurde Julia Hochmuth in der Waffenstadt Suhr in der ehemaligen DDR geboren. Durch ihre Eltern kam sie schon früh in Kontakt mit dem Schießen. Der Vater und die Mutter waren zwei erfolgreiche Sportschützen und durch ihre Erfolge bereits im Land bekannt. Die Mutter konnte sich 1984 sogar für die Olympischen Spiele in Los Angeles qualifizieren. Zu einer Teilnahme kam es allerdings nicht, da die DDR die Spiele aus politischen Gründen, boykottierte.
Dank einer Sonderregelung stand sie mit acht Jahren zum ersten Mal selbst am Schießstand und begann mit dem Training. „Es war ganz allein meine Entscheidung mit dem Schießen anzufangen", erzählt sie.
Mit viel Freude und Ehrgeiz ging sie ab diesem Zeitpunkt mehrmals in der Woche zum Training und konnte sich somit schon bald in den Fokus des thüringischen Kaders schießen. Julia Hochmuths Talent und besonders ihre ungeheure Disziplin waren kaum zu übersehen.

Mit dem Kinderwagen auf dem Schießstand

Im Alter von 14 Jahren zog die junge Sportlerin mit ihrer Mutter zusammen nach Ludwigsburg. Ihre Trauer über den Verlust ihres sozialen Umfelds überwandt sie erfolgreich mit dem Sport. Für den neuen Verein SGi Ludwigsburg war Julia Hochmuth ein wahrer Glücksgriff. Schon zwei Jahre nach ihrem Wechsel trat sie für die Ludwigsburger in der Bundesliga an. Mit 16 Jahren war sie mit Abstand die jüngste Schützin der Liga und zudem die einzige Frau im Team der SGi.
Im Jahre 2006 sorgte sie mit einem guten sechsten Platz für eine große Überraschung bei den Juniorenweltmeisterschaften in Zagreb. „Das war ein tolles Erlebnis und mit Sicherheit einer der größten Erfolge meiner noch jungen Laufbahn“, berichtet sie stolz.

Auch außerhalb des Schießstands machte Julia Hochmuth stets eine gute Figur. Ihre Schulzeit schloss sie 2007 mit der Hochschulreife ab. Daraufhin entschloss sich Julia Hochmuth, eine sportliche Pause einzulegen, um sich ganz ihrem Studium zu widmen. „Mit Schießen allein lässt sich ja kein Geld verdienen“, erklärt sie und begründet so ihren Entschluss, der ihr sehr schwer gefallen sei.
Doch ganz ohne Sport geht es nicht. Die lebensfreudige Ludwigsbugerin ist alles andere als eine „Stubenhochkerin“. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten an der frischen Luft. Radfahren, Joggen, Schwimmen oder Inlineskaten sind nur eine kleine Auswahl an sportlichen Aktivitäten, die Julia Hochmuth betreibt.
Lange hält sie es ohne Schießen jedoch nicht aus. „Ich habe schnell gemerkt, dass mir ohne das Schießen etwas Grundlegendes fehlt“, erzählt sie. Nach drei Jahren ohne Wettkampf nahm sie das Training wieder auf und überzeugte prompt mit guten Schießleistungen in der Bundesliga. Der Lohn hierfür: Bundestrainer Peter Kraneis nominierte sie 2011 überraschend für den Weltcup in München, wo sie mit einem starken achten Platz alle Kritiker verstummen ließ. Die Finalteilnahme war nicht nur eine tolle Leistung, sie bedeutete für Julia Hochmuth zudem die Aufnahme in das Top-Team London 2012.

Schießen wird im Kopf entschieden

Was niemand, und besonders Julia Hochmuth selbst, nie erwartet hatte, könnte schon bald Realität werden: die Teilnahme an den Olympischen Spielen in London! Für dieses Ziel gibt die bodenständige Ludwigsburgerin alles. Viermal in der Woche geht sie ins Training und nimmt dabei lange Fahrtstrecken in Kauf. Um sich ganz auf die Vorbereitung zu konzentrieren, entschloss sich die 24-Jährige dazu, ihr derzeitiges Master-Studium für eine Zeit lang zu unterbrechen. Zudem arbeitet sie seit zwei Jahren mit einer Sportpsychologin zusammen.
Diese Zusammenarbeit zahlte sich schon bald aus. „Ich schreibe Annika Olofsson mehr als die Hälfte des Anteils an den Erfolgen der letzten Zeit zu“, sagt Hochmuth und beteuert dabei die Wichtigkeit der mentalen Stärke im Pistolenschießen. „Jeder Schütze aus der Weltspitze hat dasselbe Niveau, über Sieg und Niederlage entscheidet allein der Kopf“, ergänzt sie.
Mit ihrer Psychologin spricht sie über ihr Training, den Wettkampf oder ganz persönliche Dinge. Darüber hinaus lernt sie einige Konzentrationsübungen oder Entspannungsübungen, die sie bei Wettkämpfen anwenden kann.
Finanzielle Unterstützung erhält sie von der deutschen Sporthilfe und dem Kultusministerium Baden-Württemberg, denn Sponsoren sind Mangelware.
Nur bei den Olympischen Spielen gelangt das Schießen in den Fokus der Menschen. Daher sind die Spiele für Julia Hochmuth so wichtig. Sie will mit einer guten Platzierung Werbung für ihren Sport machen. „Bei fast keiner Sportart muss man über eine solch große Körperbeherrschung verfügen“, erklärt sie und fügt hinzu: „Nicht der Stärkere oder der Schnellere gewinnt, sondern der, der seinen Geist und seinen Körper am Besten im Griff hat.“