Olympische Spiele 2021 Japan drohen Milliardenverluste

Die Olympischen Spiele 2020 in Japan werden nicht in diesem Jahr stattfinden. Grund dafür ist die Coronavirus-Pandemie. Foto: dpa/Stanislav Kogiku

Nach der Verschiebung der Olympischen Spiele steht Japan eine Rezession bevor. Und das ist wahrscheinlich nicht der einzige Schaden.

Tokyo - Ein Jahr später soll das Riesenspektakel nun beginnen. Darauf haben sich Thomas Bach und Shinzo Abe am Dienstag per Telefon geeinigt. Auf großen internationalen Druck lenkten der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und Japans Premierminister nach Wochen des Haderns ein: Olympia wird verschoben, auf Sommer 2021. Würden zum größten Sportevent der Welt in diesem Sommer Millionen Menschen in Japan zusammentreffen, wäre das Gesundheitsrisiko zu groß.

 

Warum kam dieser Entschluss so spät? Zu einem Zeitpunkt, als überall sonst auf der Welt längst Großevents abgesagt waren? Die Antwort ist banal: Das politische, ökonomische und finanzielle Kapital, das in Japan eingesetzt worden war, schien lange Zeit zu hoch, um die Spiele nicht wie geplant stattfinden zu lassen. Seit seinem Amtsantritt als Premierminister Ende 2012 hat Shinzo Abe damit geworben, Olympia nach Japan zu holen und damit eine neue Ära des Landes einzuläuten. Auf Jahre der ökonomischen Stagnation sollte neues Wachstum folgen, angetrieben durch moderne Infrastruktur und einen Schub der Internationalisierung.

Japanische Wirtschaft schrumpft massiv

Abe machte die Olympischen Spiele zum Fernziel, in die seine als „Abenomics“ bekannt gewordene Wirtschaftspolitik münden sollte. Eine Kombination aus noch höheren Staatsausgaben als zuvor, einer noch lockereren Geldpolitik sowie wachstumsfördernden Strukturreformen sollte in der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt eine neue Boom-Ära auslösen. Doch nach der anfänglichen Euphoriewelle kam die Sache ins Stocken. Die Wachstumszahlen unterscheiden sich mittlerweile kaum noch von den Jahren vor Abes Amtsantritt.

Nun droht sogar eine Rezession. Im vierten Quartal 2019 führten eine Mehrwertsteuererhöhung von acht auf zehn Prozent sowie der Schaden durch den Taifun Hagibis dazu, dass die japanische Wirtschaft um gut sechs Prozent schrumpfte. Angesichts der Einschränkungen des ökonomischen Lebens, die die Krise um Covid-19 nun seit Wochen erfordert, ist damit zu rechnen, dass auch das erste Quartal dieses Jahres einen Rückgang verzeichnen wird. So ist wahrscheinlich, dass Japan im Sommer 2020, wenn Premierminister Abe eigentlich den Höhepunkt eines olympiabefeuerten Booms feiern wollte, in einer akuten Krise stecken wird.

40 Millionen Touristen, die nicht kommen werden

Dabei gehört eine Rezession noch zu den geringeren Problemen. Würde Olympia komplett ins Wasser fallen, was nach wie vor möglich scheint, so schätzt die Großbank Sumitomo Mitsui eine Reduktion des jährlichen Wirtschaftswachstums um 1,4 Prozentpunkte. Beim ohnehin geringen Wachstumspotenzial Japans könnte dies auf eine Jahresnull hinauslaufen. Unternehmenserlöse fielen der Schätzung zufolge im Vergleich zum Vorjahr sogar um 24,4 Prozent.

Vor allem das derzeitige Ausbleiben von Touristen fällt schwer ins Gewicht. Eine weitere Schätzung geht allein bei der Verschiebung Olympias von Kosten in Höhe von umgerechnet 5,8 Milliarden US-Dollar aus. Diverse japanische Hotelketten haben schon ihre Erlösprognosen gesenkt, Reiseunternehmen erwarten nun Ausfälle, die sich auf den Gegenwert fast eines ganzen Jahres belaufen könnten. Für 2020 hat Japan eigentlich den Rekordwert von 40 Millionen Touristen aus dem Ausland angepeilt. Vor allem um die Olympiatermine herum war der Höhepunkt erwartet worden.

Was passiert mit Sponsorengeldern?

Doch die Probleme enden hier nicht. Wie kein Olympia-Ausrichter zuvor hat es „Tokyo 2020“ geschafft, Sponsorengelder aus der Wirtschaft einzuspielen. Insgesamt drei Milliarden US-Dollar haben 60 japanische Unternehmen ersten Ranges in den Topf geworfen. Das ist knapp dreimal so viel, wie es im Zuge von Olympia 2012 in London gewesen war. Mit diesem Geld wurden in Tokio Spielstätten gebaut und das wasserstoffbetriebene olympische Dorf entwickelt. Den Sponsoren ist im Gegenzug garantiert worden, sie würden im Glanz von Olympia strahlen. Es könnten Kontakte zu neuen Märkten entstehen, zumindest aber große internationale Sichtbarkeit.

Was geschieht, wenn dieses Event erst in einem Jahr stattfindet? Erhalten die Sponsoren einen Teil ihres Geldes zurück? Es ist eine von vielen Fragen, die im Moment keiner der Offiziellen beantworten möchte. Die Schmallippigkeit, mit der die beteiligten Institutionen auf journalistische Anfragen zu solchen Themen reagieren, lässt erahnen, dass schon eine Verschiebung der Spiele zu großen finanziellen und industriepolitischen Schäden führt.

Finanzielle Ausfälle gering halten

Auch in Bezug auf den Versicherungsfall gibt es kaum Antworten. Die US-Investmentbank Jefferies schätzt, dass rund um die Spiele in Tokio insgesamt Versicherungen im Wert von zwei Milliarden US-Dollar aufgenommen wurden. Aber wer gegen einen Ausfall oder eine Verschiebung des Events durch eine Pandemie versichert ist, darüber herrscht Schweigen. Sowohl das IOC als auch das Tokioter Organisationskomitee wollen sich zu dieser Frage nicht äußern. Der Versicherungskonzern Munich Re, der als Rückversicherer für die Olympischen Spiele fungiert, sagt allerdings, dass „Pandemien und Epidemien“ in der Regel nicht mit abgedeckt seien. Wie es sich im Fall von Tokyo 2020 verhalte, könne man aus Vertraulichkeitsgründen nicht verraten.

Um die finanziellen Ausfälle noch möglichst gering zu halten, hat Japans Premier Abe gegenüber dem IOC darauf gedrungen, das neue Startdatum von Olympia nicht zu weit in die Zukunft zu legen. Dies schon zu einem Zeitpunkt anzukündigen, zu dem sich die Pandemie weltweit noch weiter ausbreitet, offenbart Abes Prioritäten. In der Hoffnung, die Gesundheitskrise werde sich bald legen, bemüht er sich, dass die finanzielle Krise rund um Olympia gar nicht erst allzu groß wird.

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