Olympische Spiele: Darja Varfolomeev und Margarita Kolosov Mit 17 Jahren schon sportliche Legende

Zwei Gymnastinnen, die stolz auf sich sein können: Margarita Kolosov (links) und Darja Varfolomeev. Foto: /Eva Herschmann

Darja Varfolomeev, die Olympiasiegerin in der Rhythmischen Sportgymnastik vom TSV Schmiden, und die viertplatzierte Margarita Kolosov, die ebenfalls im Stützpunkt trainiert, sind am Montagabend zuhause angekommen – und machen jetzt erst einmal drei Wochen Urlaub.

Um kurz nach 20 Uhr ist der Zug aus Köln am Montagabend im Stuttgarter Hauptbahnhof angekommen. Mit an Bord waren die Olympiasiegerin und die Viertplatzierte in der Rhythmischen Sportgymnastik von den Spielen in Paris. Und Darja Varfolomeev und Margarita Kolosov wurden schon sehnsüchtig erwartet. Von ihren Eltern, von Fellbachs Oberbürgermeisterin Gabriele Zull sowie einer Delegation vom Bundesstützpunkt Schmiden, angeführt von Standortmanagerin Sina Maier. Vor allem aber von Torri, dem Chihuahua von Darja Varfolomeev, dem es wohl als einzigem reichlich egal sein dürfte, dass sein Frauchen gerade Sportgeschichte geschrieben hat.

 

Die Randsportart ins öffentliche Blickfeld gerückt

Der Olympiasieg von Darja Varfolomeev vom TSV Schmiden kommt nicht überraschend. Zumindest nicht für die, die sie kennen und um ihr Talent, ihren Ehrgeiz und ihre Nervenstärke wissen. Alles das, hat die 17-Jährige nun bei den Spielen in der französischen Hauptstadt der ganzen Welt gezeigt. Mit dem Gewinn der Goldmedaille hat Darja Varfolomeev zudem eine Randsportart ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Dazu beigetragen hat auch die Viertplatzierte Margarita Kolosov, ihre Trainingsgefährtin am Schmidener Stützpunkt, die für ihre gelungenen Auftritte vom Publikum in der Pariser Arena Porte de La Chapelle gefeiert wurde.

Varfolomeev hat alles erreicht – und will weitermachen

Der erste Weg nach dem Triumph hat Darja Varfolomeev zu ihrer Trainingsgefährtin geführt. Statt zu feiern, hat die 17-Jährige zunächst ihre drei Jahre ältere Trainingsgefährtin Margarita Kolosov getröstet, die als Viertplatzierte knapp an einer Medaille vorbeigeschrammt war. „In vier Jahren in Los Angeles kämpfen wir vielleicht beide wieder um Medaillen“, hat sie ihr zugeraunt.

Darja Varfolomeev hat – nach ihrem fünffachen Erfolg bei den Weltmeisterschaften 2023 in Valencia – mit dem Olympiasieg in jungen Jahren bereits alles gewonnen, was es im Sport zu gewinnen gibt. Doch wie ihr großes Vorbild, die 27-jährige US-Amerikanerin Simone Biles, die im Geräteturnen 2016 in Rio de Janeiro viermal Gold gewann, und bei ihren dritten Spielen in Paris dreimal Gold holte, will Darja Varfolomeev weitermachen.

Den Schulabschluss um ein Jahr verschoben

Als kleines Kind hat Darja Varfolomeev davon geträumt, eines Tages bei den Olympischen Spielen ganz oben auf dem Treppchen zu stehen. Dafür hat sie, seitdem sie Anfang 2019 als Zwölfjährige alleine von Sibirien nach Schmiden kam, 36 Stunden in der Woche in der Übungshalle geschuftet. Dafür hat die Schülerin der Schmidener Albert-Schweitzer-Gemeinschaftschule ihre schulische Reifeprüfung um ein Jahr, auf 2025, verschoben. An jedem Element, jedem Wurf, jeder Schwierigkeit hat sie mit Yuliya Raskina gefeilt – und den Schwierigkeitsgrad deutlich nach oben geschraubt. „Meine Trainerin hat“, so die Olympiasiegerin, „70 Prozent Anteil an meinem Erfolg“.

Die Eltern jubeln und zittern vor Ort mit

Vier traumwandlerisch sichere Übungen mit Reifen, Ball, Keulen und Band hat Darja Varfolomeev im Finale von Paris gezeigt. „Als es in der Qualifikation am Donnerstag nicht so gut gelaufen war, Darja ein paar Patzer drin hatte, wusste ich, dass sie am Freitag fehlerfrei abliefern wird“, sagt Sina Maier. Sie hat die Wettkämpfe live vor Ort erlebt, hat mitgezittert und schließlich gejubelt – wie auch Darja Varfolomeevs Eltern, ihr Bruder Alexander sowie ihr Opa aus Aschaffenburg. Und Sina Maier hat die schwarz-rot-goldene Fahne mit der Aufschrift „One Team, one dream“ geschwenkt, mit der die Heimkehrerinnen auch bei ihrer Ankunft am Stuttgarter Bahnhof standesgemäß begrüßt wurden.

Die Nationalgruppe verpasst das Finale

Nicht nur Darja Varfolomeev und Margarita Kolosov waren bei Olympia, auch die am Schmidener Stützpunkt angesiedelte Nationalgruppe war angetreten. Doch Anja Kosan, Daniella Kromm, Alina Oganesyan, Hannah Vester und Emilia Wickert hatten in Paris Pech und ein paar kleinere Pannen in den Übungen mit fünf Reifen sowie mit drei Bändern und zwei Bällen. Als 13. der Qualifikation schafften sie es nicht ins Finale der besten acht Teams, das am vorletzten Tag der Spiele, am Samstag, stattfand, und das die Chinesinnen gewannen.

Nach Olympia ist vor Olympia

Für alle die bei Olympia geturnt haben, steht nun erst einmal Urlaub an. Darja Varfolomeev freut sich auf drei Wochen am Meer, statt sechs Tage in der Woche in der Trainingshalle. Zum einen, weil die Olympiasiegerin gerne schwimmt, aber auch, weil sie dann Zeit hat, um richtig zu realisieren, was gerade passiert ist. Denn das, so sagte sie kurz nach ihrem Triumph, sei noch nicht ganz bei ihr angekommen. Nach der Pause wird die 17-Jährige weitertrainieren, wie auch Margarita Kolosov. Die 20-Jährige hat bereits erklärt, dass sie nicht ans Aufhören denkt. Und Magdalena Brzeska, die 16-fache deutsche Meisterin vom TSV Schmiden und Olympia-Teilnehmerin von Atlanta 1996, weiß: „Nach Olympia ist vor Olympia.“

Stimmen zum Olympiasieg

Magdalena Brzeska, ehemalige Gymnastin und Olympiateilnehmerin in Atlanta 1996: „Es ist der absolute Wahnsinn, wobei ich schon seit ihrem Fünffach-Sieg bei den Weltmeisterschaften vergangenes Jahr mit Dascha als Olympiasiegerin gerechnet habe. Sie hat alles, was eine Gymnastin braucht, und für ihr Alter besitzt sie zudem große Nervenstärke. Auch ihrer Trainerin Yuliya Raskina gebührt großes Lob. Es war eine perfekte Vorbereitung mit einem perfekten Ergebnis. Schade, dass es für Margarita nicht zu einer Medaille gereicht hat, aber ich bin sicher, wir werden noch viel Freude mit den beiden Mädchen haben. Und wer weiß, was in vier Jahren in Los Angeles ist. Für uns alle ist dieses Ergebnis ein Glücksfall. Ich kann mir vorstellen, dass die zwei für viele kleine Mädchen Vorbilder sind und es jetzt einen neuen Hype um die RSG geben wird.“

Thomas Schütte, ehemaliger Stützpunktleiter und Moderator von Gymnastik International: „Während im vergangenen Jahr für Dascha ja alles perfekt lief, gab es in diesem Jahr ein paar Auf und Abs. Aber ich habe immer auf ihre Trainerin Juliya Raskina vertraut, die sie auf den Punkt vorbereitet hat. Dascha hat den Olympiasieg verdient, denn sie hat keine Fehler gemacht. Margarita hat sich im Laufe dieser Saison kontinuierlich gesteigert und ist auch mental immer stärker geworden, wobei sie ohnehin eine sehr starke Persönlichkeit ist. Für mich hat Marga in Paris den Wettkampf ihres Lebens gezeigt mit vier bombig abgelieferten Übungen. Man konnte fast schon von zwei Medaillen für Deutschland träumen. Aber Platz vier ist absolut der Wahnsinn: Chapeau.“     Michael Bürkle, Vize-Präsident Spitzensport im Schwäbischen Turnerbund: „Ich hab zum 70. Geburtstag im vergangenen Jahr zwei Karten für das Finale in Paris geschenkt bekommen, und vor Ort zu sein, war einfach super. Wenn man so lange dabei ist, und dann beim größten Ereignis und Erfolg dabei sein kann, dann ist das einfach sensationell. Und das dann auch noch genau in diesem Jahr, in dem die RSG in Schmiden 40-Jahr-Jubiläum feiert.“ Ulrich Lenk, Präsident des TSV Schmiden: „Fellbach hat ein Goldmädchen und der TSV eine Olympiasiegerin. Glückwunsch an Darja für diese fantastische sportliche Leistung. Aber auch dem ganzen RSG-Team, das zu diesem Erfolg beigetragen hat. Insbesondere hat die 40 Jahre währende Beharrlichkeit von Ingrid und Michael Bürkle und den vielen Mitstreitern in der RSG Lohn erhalten. Dank auch an die Stadt Fellbach, die auch in schwierigen Zeiten zum Stützpunkt gestanden ist und ihn ideell und finanziell immer unterstützt hat.“

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