Bei Olympischen Spielen werden von den deutschen Athleten alle vier Jahre Medaillen gefordert – aber sonst kräht kein Hahn nach ihnen.

Stuttgart - Wenn an diesem Freitag die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro eröffnet werden, geht das alte Spielchen wieder los. Wir zählen Medaillen – am liebsten natürlich die goldenen. Silber und Bronze sind auch noch okay, aber alles andere ist Blech. So simpel funktioniert diese Rechnung.

 

Natürlich kennen Sie beispielsweise Manuel Neuer oder Mats Hummels oder Thomas Müller oder Mario Gomez. Aber wer sind schnell noch mal Sideris Tasiadis oder Kristina Vogel oder Sascha Klein oder Sophie Scheder? Antwort: Bei ihnen handelt es sich um vier der insgesamt 423 deutschen Rio-Starter, die bei den 306 Entscheidungen in den 28 Sportarten möglichst Gold gewinnen sollen, aber zumindest Silber oder Bronze. Anschließend kräht dann wieder vier Jahre lang kein Hahn nach ihnen – bis zu den Spielen in Tokio.

So läuft das Geschäft inzwischen: König Fußball regiert die Welt – alle vier Jahre nur mal ganz kurz unterbrochen von einem zweiwöchigen Intermezzo namens Olympia. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen überträgt heutzutage lieber ein belangloses Testspiel der Kicker live und zur besten Sendezeit als eine Partie der Volleyball-WM oder ein Leichtathletik-Meeting. Und auch Olympia ist 2020 nicht mehr in der ARD und im ZDF zu sehen, sondern auf Eurosport, das vom IOC unter seinem deutschen Chef Thomas Bach den Zuschlag bekommen hat. Das sagt dann schon alles über den Stellenwert der 27 in Rio neben dem Fußball vertretenen Disziplinen.

Als Folge des geringen TV-Interesses ziehen sich auch die Sponsoren zurück. Die Milliarden werden fast ausschließlich in den Fußball gepumpt. Mit Kanu, Ringen oder Fechten lässt sich dagegen kein Geld verdienen, am allerwenigsten für die Athleten, die sich aber trotzdem professionell vorbereiten müssen, um auf internationaler Ebene mithalten zu können. Schließlich wird von ihnen alle vier Jahre mal geschwind eine Goldmedaille gefordert, wenn sie für ein paar Tage aus ihrem Schattendasein erwachen – der große Widerspruch im deutschen Spitzensport.

Es ist paradox. In drei Wochen sind die Spiele von Rio vorbei. Dann trainieren Sideris Tasiadis, Kristina Vogel, Sascha Klein oder Sophie Scheder weiter – praktisch unbemerkt und unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Übrigens haben Manuel Neuer und Co. in den vergangenen 20 Jahren bei einer WM oder EM nur ein einziges Mal den Titel geholt.