Der demografische Wandel wird auch bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi deutlich – siehe Björndalen, Kasai und Co.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Sotschi - Es soll das Treffen der Jugend dieser Welt sein – aber dann sitzt da Albert Demtschenko, das Gegenteil von Jugend. Seine riesigen Augen fixieren einen Punkt am Ende des Pressezentrums an der Rodelbahn Sanki. Der Russe wirkt teilnahmslos, während neben ihm Felix Loch von seiner Fahrt zu Gold erzählt. Der Berchtesgadener hatte Demtschenko soeben der Illusion beraubt, im zarten Alter von 42 Jahren Olympiasieger in seiner Heimat zu werden. Loch hat dieses russische Märchen zerstört. Und zwar brutal.

 

Sotschi 2014 – dabei handelt es sich auch um „die Spiele der alten Säcke“, sagt ein Reporter und kichert. Doch die Ü-40-Fraktion reiste mitnichten an, weil Dabeisein im Reich der Ringe einfach schon alles ist. Unter den reifen Jungs befinden sich hochambitionierte Stars: Demtschenko holte mit 42 in Sotschi zweimal Silber, für seinen 40 Jahre alten Disziplinkollegen Armin Zöggeler gab es Bronze – und dann gibt es da auch noch Ole Einar Björndalen, den König der Oldies.

Der Biathlet drehte mit Gold im Zehn-Kilometer-Rennen der Jugend eine lange Nase. Aus einem anderen Blickwinkel ist das aber kein Wunder, weil der Norweger erst vor 20 Tagen seinen 40. Geburtstag feierte. Damit befindet er sich innerhalb der olympischen Altherrenriege allerdings noch in der Rolle des Kükens. Das ändert aber nichts daran, dass er trotzdem der älteste Olympiasieger in der Geschichte der Winterspiele ist und mit seinen acht Goldmedaillen eine Ikone des Weltsports.

Björndalen beeindruckt auch den IOC-Chef

Den ersten Olympiasieg errang der Skandinavier vor 16 Jahren in Nagano – da befanden sich einige seiner Gegner noch in der Grundschule . Die „Los Angeles Times“ bezeichnete ihn neulich als „den Größten“, und der IOC-Chef Thomas Bach sagte nach dem Sotschi-Gold einfach nur „Chapeau“. Björndalen trinkt keinen Alkohol, niemals, und er passt auch in anderer Hinsicht immer gut auf sich auf. Ohne Desinfektionsmittel und Staubsauger tritt er keine Reise an. „Wenn Oslo die Spiele 2022 bekommt, will ich dabei sein“, sagt der Gesundheitsfanatiker lachend, „aber nicht als Biathlet.“ Kaum zu glauben.

Ein ebenso drahtiger Bursche, der vom Sport nicht lassen kann, ist der Japaner Noriaki Kasei. Der 41 Jahre alte Skispringer wurde in Sotschi Achter von der Normalschanze, das ist erstaunlich – und dennoch verkaufte er sich dabei auch unter Wert. Er kann mehr. Am 11. Januar 2014 gewann der Mann aus Sapporo seinen 16. Weltcup, seither ist er mit Abstand älteste Skispringer, der das schaffte. Das Witzige ist: im fortgeschrittenen Alter zeigt seine Formkurve noch einmal gewaltig nach oben. Allein bei der Nordischen Ski-WM in Val di Fiemme 2013 holte „Kamikaze-Kasai“ zweimal Einzelbronze und Mannschaftssilber noch dazu. „Mit meinem Schwung mache ich meine Träume war“, sagt er, und auch das: Er fühle sich jünger denn je.

Eishockeystar Jagr ist am Samstag 42 geworden

Auch Jaromir Jagr ist so ein unruhiger Geselle, der noch Gas im Sport gibt, weil er sich die Welt ohne ihn nicht vorstellen kann. Am Samstag ist er 42 geworden, doch diesen Geburtstag feiert er nicht daheim, sondern in Sotschi mit seinen Jungs. Jagr spielt in der tschechischen Eishockey-Nationalmannschaft auf dem rechten Flügel und steht in der nordamerikanischen Profiliga bei der New Jersey Devils unter Vertrag. Der Tscheche misst 1,89 Meter und wiegt 102 Kilogramm – er ist damit natürlich ein kräftiger Anfangvierziger wie die Rodler Demtschenko und Zöggeler eben auch. Björndalen und Kasei muss man dagegen als zähe Erscheinungen bezeichnen. Es fällt auf, dass es vor allem Schwer- und Leichtgewichten gelingt, die Sportkarriere so gewaltig hinauszuzögern.

Aber auch andere schaffen das. Es gibt ja noch die filigrane Abteilung der alten Herren in Sotschi. Die besteht aus den deutschen Curlingspielern Martin Beiser und John Jahr, dessen Großvater das Verlagshaus Gruner und Jahr gründete. Beiser ist 42 Jahre alt, unterliegt im Ranking seinem Teamkollegen allerdings deutlich. Der Hamburger John Jahr darf sich mit seinen stolzen 48 Lenzen nämlich durchaus als Alterspräsident der Ü-40-Fraktion fühlen.