Olympisches Rumpfteam Die Ignoranz des Fußballs

Ein bedauernswerter Trainer: Stefan Kuntz, dem Coach des deutschen Teams, stehen in Tokio nur 18 statt der 22 möglichen Spieler zur Verfügung. Foto: imago/Peter Hartenfelser

Das Internationale Olympische Komitee sollte nach Meinung unseres Autors Jochen Klingovsky Platz schaffen für die Sportarten, denen die Spiele wirklich wichtig sind.

Stuttgart. - Ron-Thorben Hoffmann (22) ist der Torhüter des in die Fußball-Regionalliga abgestiegen FC Bayern München II – und für seinen Club doch so enorm wichtig, dass dieser ihm die Freigabe für die Olympischen Spiele in Tokio verweigert hat. Paradox? Nein! Sondern ein Zeichen dafür, wie egal manchen Clubs das größte Sportereignis der Welt ist. Weil auch viele Profis andere Prioritäten setzen, reist das deutsche Team mit nur 18 statt 22 Spielern nach Japan. Was für eine Blamage! Und was für eine Borniertheit!

 

Das olympische Fußballturnier ist zwar nur ein zweitklassiger Wettbewerb, in dem um drei erfahrene Kräfte aufgestockte U-23-Teams die Medaillen ausspielen, dessen Termin nicht in den Rahmenkalender des Fußballs passt – und bei dem es im Gegensatz zu einer WM oder den kontinentalen Meisterschaften für die Vereine keine Abstellpflicht gibt. Trotzdem ist die Ignoranz, die ein Teil des deutschen Fußballs nun vor den Sommerspielen zeigt, ein veritables Eigentor.

Unverständnis für die kickenden Millionäre

Gut, es gibt auch Nationalverbände, die im Rahmen der Möglichkeiten versuchen, möglichst erfolgversprechende Teams aufzustellen. Die Spanier zum Beispiel treten in Japan mit sechs EM-Teilnehmern an, darunter Stars wie Olmo, Pau Torres oder Pedri. Dennoch schauen, auch wegen des deutschen Rumpfteams, Athletinnen und Athleten anderer Sportarten (wieder mal) voller Unverständnis auf die kickenden Millionäre.

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Natürlich gibt es rund um Olympische Spiele reichlich Anlass zur Kritik: Kommerz, Korruption, Gigantismus – um nur drei Punkte zu nennen. Trotzdem geht für jeden Kanuten, Trampolinspringer oder Schützen mit der Olympiateilnahme ein Lebenstraum in Erfüllung. Ein freiwilliger Verzicht käme auch in der Coronapandemie nicht infrage. Die Herren der Ringe sollten deshalb gut überlegen, ob sie ein solches Fußballturnier benötigen. Oder ob es nicht sinnvoller wäre, Platz zu schaffen für Sportarten, denen die Spiele wirklich etwas bedeuten.

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