Nach dem Triumph im Sprint sind für den deutschen Biathlon- Superstar Laura Dahlmeier fünf weitere Medaillen möglich.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Pyeongchang - So glücklich, so ausgelassen, mit einem solchen Dauergrinsen – so haben die Biathlon-Fans Laura Dahlmeier nie gesehen. Nicht einmal in Hochfilzen bei der WM 2017, wo die Partenkirchnerin viermal Weltmeisterin sowie einmal Vizeweltmeisterin geworden war. „Das ist ein Kindheitstraum, der für mich in Erfüllung geht. Ich habe so lange von diesem Tag geträumt“, sagte die 24-Jährige nach ihrem Triumph im Sprint. Da musste selbst das Staatsoberhaupt verbal die wärmende Mütze vom Kopf nehmen. „Erster Tag, erstes Gold von einer wunderbaren Laura Dahlmeier“, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, „mit stählernen Nerven beim Schießen hat sie das Rennen gewonnen.“

 

In unserer Video-Kolumne werfen unsere Redakteure einen Blick hinter die Olympia-Kulissen:

Der riesige Hüpfer auf dem Podest bei der provisorischen Siegerehrung im Biathlon-Stadion unterstrich die Bedeutung, die die erste olympische Goldmedaille für die derzeit überragende Athletin besitzt. Eine WM ist jedes Jahr, Olympische Spiele nur alle vier Jahre – folglich ist ein Erfolg das Vierfache wert. Mindestens. In kleiner Runde verriet Laura Dahlmeier später, dass sie diese Jubler als Mädchen im Stockbett geübt hatte. „Da habe ich heimlich gejubelt mit nach oben gestreckten Armen“, erzählte Dahlmeier. Nicht ausgeschlossen, dass sie diese Podestübung in Pyeongchang dem Publikum häufiger bieten darf. Fünf Wettbewerbe stehen für die Skijägerinnen noch an – Gold ist dabei nie ausgeschlossen. Wir haben Dahlmeiers Chancen abgeklopft.

Hoffentlich macht der Wind mit

Das Verfolgungsrennen: An diesem Montag steht der Verfolger an, die Biathletinnen starten mit den Abständen, wie sie im Sprint platziert waren. Damit geht die Partenkirchnerin mit satten 24,2 Sekunden Vorsprung auf die Sprint-Zweite Marte Olsbu (Norwegen) auf die Strecke. Das ist in etwa eine Strafrunde im Plus – für die Zusatzschicht von 150 Metern benötigen die Frauen 20 bis 23 Sekunden. Auf ihre härtesten Konkurrentinnen hat die Deutsche ein ordentliches Polster. Die Gesamtweltcup-Führende Kaisa Mäkarainen (Finnland) liegt 1:30,2 Minuten zurück, Anastasia Kuzmina (Slowakei) muss 53,9 Sekunden aufholen, die Südtirolerin Dorothea Wierer ist mit 1:14,1 Minuten im Soll. Wenn Laura Dahlmeier in etwa die Form des Sprints abrufen kann und der Wind das Rennen nicht verweht, sollte eine Medaille drin sein.

Das Einzel: Am Mittwoch beginnt alles bei null. Im Einzel über 15 Kilometer wird für jeden Fehlschuss eine Strafminute zur Laufzeit addiert – damit sind die treffsichersten Schützinnen im Vorteil. Laura Dahlmeier hat im Sprint bewiesen, dass sie extrem ausgebufft und absolut nervenstark ist. Als im Stehend-Anschlag eine Windböe aufkam, blieb sie ruhig, wartete viele Sekunden, justierte das Diopter und setzte die letzten Schüsse ins Ziel. Da die Strecke anspruchsvoll ist, sind die besten Läuferinnen in der Lage, auch mit einem Schießfehler noch Olympiasiegerin zu werden. Dahlmeier kann auch diese Qualifikation mit Note eins plus nachweisen. „Es ist erstaunlich, welch komplette Biathletin Laura ist“, sagte Bundestrainer Gerald Hönig, „das war eine fokussierte und konzentrierte Vorstellung. Laura drückt eben nur ab, wenn sie das perfekte Trefferbild sieht.“

Dahlmeier ist gesetzt

Der Massenstart: 30 Athletinnen sind am Samstag am Start, Dahlmeier ist als Goldmedaillen-Gewinnerin gesetzt. Im Kampf Frau-gegen-Frau spielen die Nerven die besondere Rolle, wenn die Biathletinnen nebeneinander beim Schießen liegen oder stehen. Cool bleiben ist oberste Pflicht. Dahlmeier hat oft demonstriert, dass sie sich nicht kirre machen lässt von dem, was um sie herum geschieht. „Locker zu bleiben, das ist so ein Schlüssel zum Erfolg bei mir“, sagte sie, „dass ich das so umsetzen konnte, macht mich unheimlich dankbar und stolz.“ Und stärkt das Selbstvertrauen.

Die Staffel braucht die Bayerin

Die Mixed-Staffel: Zwei Männer, zwei Frauen, das ist der Mixed-Wettbewerb am Dienstag nächster Woche. Bei der WM 2016 wurden die Deutschen (ohne Dahlmeier) Vizeweltmeister, bei der WM 2017 gewannen sie (mit Dahlmeier) den Titel.

Die Staffel: Am Donnerstag kommender Woche ist Gold fast programmiert. Die Staffel musste in den Wintern 2016/17 und 2017/18 in acht Rennen nur eine Niederlage in Oberhof gegen Frankreich hinnehmen. Bei diesem Ausrutscher war Dahlmeier wegen einer Erkältung geschont worden. „Die Staffel ist das heißeste Eisen für Gold“, sagte die zurückgetretene Rekordweltmeisterin Magdalena Neuner.

Ein Mensch ist keine Maschine

Theoretisch sind fünf Medaillen möglich, doch weil ein Mensch keine Maschine ist und Biathlon ein Draußen-Sport mit unkalkulierbaren Bedingungen ist, könnte es sein, dass diese Medaille die einzige für Dahlmeier in Korea bleibt. Kati Wilhelm glaubt das nicht. „Wenn es mit einer Medaille losgeht, können das richtig große Spiele für Laura werden“, sagte die Ex-Biathletin. So weit wollte die nicht gehen. „Ich mache mir keine Gedanken, was morgen oder in einer Woche ist“, sagte Dahlmeier. Locker bleiben, ganz nach ihrem Motto: Scheiß da nix, dann feid da nix.