Lediglich 20 Prozent der Unternehmen setzen auf einen strukturierten Einstieg für neue Mitarbeiter. Der erste Eindruck zählt.  

Euphorisch, auch unsicher kommt der neue Mitarbeiter an seinem ersten Tag zum neuen Arbeitgeber. Der Pförtner will ihn nicht reinlassen, der Assistent weiß von nichts, und der Chef ist auf Kundentermin. Immerhin ist die Personalchefin da und kann die Situation klären. Am Arbeitsplatz angekommen, muss er sich selbst die Zugriffsrechte auf PC und Programme organisieren. Der Schreibtisch ist noch bestückt mit den Utensilien des Vorgängers. 15 Prozent der Neuen denken bereits am ersten Tag über die Kündigung nach, so eine Studie des Human Capital Institutes. Genauso ernüchternd: 77 Prozent gehen am ersten Arbeitstag früher nach Hause, weil sie aufgrund mangelnder Vorbereitung des Arbeitsumfeldes nicht loslegen können. Doch auch Jobstarter haben viele Fettnäpfchen zu umschiffen.

 

Es sind oft Kleinigkeiten, die einen schlechten ersten Eindruck hinterlassen. Deshalb hilft die Besinnung auf die gute Kinderstube: pünktlich sein, auf die Party am Vorabend verzichten und passende Erscheinung. Tappen Jüngere gerne in die Lässigkeitsfalle oder geben sich zu schüchtern, so treten Ältere zu selbstbewusst auf und signalisieren, dass sie alles kennen, schon mal gemacht haben und keiner ihnen etwas vormachen kann. 'Im menschlichen Kontakt zählt der erste Eindruck', sagt Personalberater Christopher Funk, 'und der ist dann denkbar schlecht.' Doch das gilt auch für Unternehmen: bestenfalls 20 Prozent sind sich des Einstiegsproblems, des Onboardings, wirklich bewusst und führen neue Mitarbeiter strukturiert in ihren künftigen Job ein, so der Frankfurter Xenagos-Geschäftsführer.

Vier Monate früher produktiv

'Am Ende des ersten Tages muss derjenige sagen: Klasse, ich bin im richtigen Unternehmen gelandet.' Viel zu oft bekommen die Neuen aber lediglich ihren Schreibtisch gezeigt, und die Kollegen verhalten sich zunächst zurückhaltend. Welch Erlebnis dagegen, wenn der neue Mitarbeiter einen Blumenstrauß auf seinem Schreibtisch vorfindet, sich alle relevanten Unterlagen an ihrem Platz befinden und die Kugelschreiber funktionieren. Ein erfahrener Kollege fungiert als Pate, nimmt ihn zum Mittagessen mit, zeigt ihm die Toiletten und wo er sich Getränke besorgen kann. Und dann darf er am ersten Tag gleich zu einem Kunden oder einem anderen wichtigen Gespräch mit. 'Da ergibt sich sofort ein Commitment mit dem Arbeitgeber und eine positive Energie', sagt Funk. Außerdem würden diese Mitarbeiter laut Untersuchungen vier Monate früher produktiv. In einer derartigen Atmosphäre reagiert auch der Einsteiger offener und sicherer. Denn eine forsche Begrüßung ist besser als gar keine.

Wer neue Kollegen, denen er vorgestellt wird, nicht grüßt, bekommt künftig kaum einen Fuß auf den Boden. Allerdings muss er nicht gleich zu aufdringlich, jedem Arbeiter oder Anzugträger beim ersten Rundgang die Hand hinstrecken. Ebenso gilt es vorsichtig herauszufinden, wie beim neuen Arbeitgeber die persönliche Ansprache ist. Auch wenn sich alle Kollegen untereinander duzen, ist das formale 'Sie' zunächst ratsam. Wer in den ersten Gesprächen gut ankommen will, sollte Interesse am Arbeitsgebiet der Kollegen zeigen, indem er aufgeweckt offene Fragen stellt. Geht es dann an den eigenen Arbeitsplatz, sollten Neue engagiert zu Werke gehen, zeigen, dass ihnen das Umfeld und die Arbeit gefallen, und Hilfsbereitschaft signalisieren. Für Unternehmen fängt Onboarding schon vor dem ersten Arbeitstag an, sagt Anna Pietrus, Personalmanagerin beim E-Learning-Anbieter Skill Soft.

Fexibel und auf die Bedürfnisse des Einzelnen zugeschnitten

Weil neue Mitarbeiter nicht überraschend kommen, sollte eine Firma ihrem Neuankömmling zeigen, dass die Entscheidung für den neuen Job richtig war. Oft können Firmen schon mit kleinen Kniffen eine große Wirkung erzielen. So verschickt sie mit dem Arbeitsvertrag stets eine Broschüre über das Unternehmen. Wer möchte, bekommt ein Testaccount, mit dem er sich bereits von zu Hause aus mit den hauseigenen Lösungen vertraut machen kann. E-Learning hat etliche Vorteile, wenn neue Mitarbeiter eingearbeitet werden sollen. Das Düsseldorfer Unternehmen bietet firmenspezifische Kurse an: beispielsweise, wie das Bestellsystem im jeweiligen Unternehmen funktioniert. Der Führungsnachwuchs kann gleich ins Entwicklungsprogramm einsteigen - flexibel und auf die Bedürfnisse des Einzelnen zugeschnitten.

Zeit- und ortsunabhängig können mit dem virtuellen Training etwa gesetzlich erforderliche Standards schnell gelernt werden oder in einem Kurspaket zur Office-Software gezielt Wissenslücken geschlossen werden. Einen Schritt weiter geht Managementtrainer Karl-Heinz Vossenkuhl. Ihm ist es wichtig, dass Vorgesetzte während der ersten Wochen auf die jeweilige Persönlichkeit eingehen. Analytiker, die etwa in der Buchhaltung eingesetzt werden, müssten zunächst Sicherheit gewinnen, denn ihre Stärke ist die Millimeterarbeit. Entsprechend muss das Wasser, in das sie geworfen werden, eher lauwarm sein. Eiskalt darf es dagegen für den extrovertierten Vertriebsmitarbeiter sein. 'So jemand erwartet klare Ansagen und konkrete Zielvereinbarungen', sagt der 64-jährige Gründer der VMT AG aus Hilzingen am Bodensee.

Für ihn ist es ideal, wenn die Chefs die unterschiedlichen Persönlichkeitstypen bereits im Bewerbungsgespräch erkennen und die Einarbeitungszeit entsprechend gestalten. Ein Sonderfall des Onboardings sind Schulabgänger, aber auch Uni-Absolventen, die vom Arbeitstag noch keinen Plan haben: Der erste Arbeitstag gleicht einem Kulturschock. Auszubildende müssen nun acht Stunden konzentriert arbeiten und danach noch lernen. Da ist Fingerspitzengefühl bei den Ausbildern gefragt und neben Ruhe und Geduld auch mal Entgegenkommen. Denn spätestens nach sechs Monaten fallen Azubis in ein Motivationsloch. Laut einer Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung bricht jeder fünfte Azubi seine Ausbildung ab. Wesentlich leichter tun sich Berufsanfänger dagegen, wenn es Fahrpläne mit Meilensteinen gibt, die die erwartete Arbeitsleistung betreffen.