Bereits ein Fünftel des Umsatzes der deutschen Musikindustrie wird online erzielt. Das CD-Geschäft schrumpft, bleibt aber die wichtigste Einnahmequelle der Branche.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Stuttgart - Bei den Bundesbürgern wird Musik aus dem Internet immer beliebter. Fast ein Fünftel des Umsatzes hat die deutsche Musikindustrie im ersten Halbjahr mit digitalen Online-Angeboten gemacht. Die Erlöse aus Downloads wuchsen um 32 Prozent auf knapp 122 Millionen Euro. Dabei bevorzugen die Käufer zunehmend ganze Alben, die inzwischen nach Angaben des Bundesverbands Musikindustrie mehr als die Hälfte des Umsatzes mit Musik zum Herunterladen ausmachen.

 

Weniger erfreulich läuft das CD-Geschäft, dessen Umsatz um 5,4 Prozent auf 454 Millionen Euro schrumpfte. Mit 72 Prozent Erlösanteil bleiben die Silberscheiben aber die mit Abstand wichtigste Einnahmequelle der Branche. Damit ist Deutschland eher eine Ausnahme unter den großen Absatzmärkten der globalen Musikindustrie. In anderen Ländern sind viele CD-Läden mangels Absatz vom Markt verschwunden. Der starke Fachhandel, die Kaufkraft und die Vorliebe der Deutschen für greifbare Produkte sowie ein gewisses Misstrauen gegenüber Internetkäufen führten hierzulande noch zu einer Sondersituation, sagt der Verbandssprecher Andreas Leisdon.

630 Millionen Umsatz im ersten Halbjahr

Die Branche zeigt sich mit dem Halbjahresergebnis zufrieden. Denn mit rund 630 Millionen Euro Umsatz blieben die Erlöse stabil. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Denn anderthalb Jahrzehnte lang schrumpften die Einnahmen der Plattenfirmen und haben sich in dieser Zeit glatt halbiert. Voriges Jahr konnte der Umsatz erstmals bei 1,7 Milliarden Euro zumindest gehalten werden. Im ersten Quartal gab es sogar einen Zuwachs von vier Prozent.

Die Industrie hat lange Zeit den rasanten Marktwandel verschlafen und das Internet als neues Massenmedium unterschätzt. Nicht wenige Künstler, Produzenten und Rechteinhaber gerieten in Existenznöte, weil durch die rasche, massenhafte und kostenlose Verbreitung digitalisierter Musik über Tauschbörsen im Netz die herkömmlichen Geschäftsmodelle zerbröselten. Mittlerweile gibt es aber zahlreiche legale Angebote von Online-Musik. „Kein Musikfan muss mehr auf illegale Plattformen ausweichen, diese Ausrede zieht nicht mehr“, sagt Leisdon.

Mehr als 70 Musikdienste im Netz

Mehr als 70 lizenzierte Musikdienste werben inzwischen im Netz um Kunden. Neben Download-Läden wie iTunes von Apple, Musicload oder Amazon, die digitale Musik zum Herunterladen und zur dauerhaften Nutzung anbieten, schießen nach dem Vorbild von Napster und Spotify immer mehr Streaming-Dienste wie Simfy, Juke, Deezer oder kürzlich Music Hub von Samsung aus dem Boden. Dabei können die Hörer aus bis zu 18 Millionen Titeln wählen und für Abokosten von fünf Euro aufwärts pro Monat unbegrenzt Musik hören. Teils sind die Angebote werbefinanziert und mit Einschränkungen sogar gratis.

Mit diesen Abrufdiensten, die sich auch recht einfach mobil mit dem Telefon oder tragbaren Computer nutzen lassen, zielt die Industrie besonders auf jugendliche Nutzer und die geschätzten noch rund drei Millionen Raubkopierer, die allein in Deutschland illegale Angebote nutzen. Das zeitraubende Herunterladen, Umwandeln und Kopieren von Musiktiteln soll durch die preiswerten und komfortablen Streaming-Dienste unattraktiv gemacht werden. Gegen Missbrauch und unerlaubte Nutzung ist die Streaming-Musik aufwendig geschützt.

Noch bringen die inzwischen elf Abrufdienste auf dem deutschen Markt für die Anbieter nicht das große Geld. Der Umsatzanteil liegt bei zwei Prozent, also gut zwölf Millionen Euro im ersten Halbjahr. „Trotzdem sehen wir hier ein großes Potenzial“, sagt Leisdon. Auch die Streaming-Dienste tragen dazu bei, dass sich die Zahl der legalen Online-Nutzer seit 2005 laut Verband von drei auf 7,7 Millionen erhöht hat.