Online-Handel mit Rolex und Co. Gebrauchte Luxus-Uhren – alle echt?
Luxusuhren sind gefragt. Aber je größer der Markt, desto mehr wollen daran verdienen – zum Teil auch mit billigen Kopien. Zu Besuch bei Uhrmachern, die Imitate entlarven.
Luxusuhren sind gefragt. Aber je größer der Markt, desto mehr wollen daran verdienen – zum Teil auch mit billigen Kopien. Zu Besuch bei Uhrmachern, die Imitate entlarven.
Mit seiner wasserdichten Uhr am Handgelenk hätte Christopher Richter in dem Gebäude, in dem er heute arbeitet, früher problemlos tauchen können: Der ehemalige Eigentümer des Hauses hatte einen Raum in einen Whirlpool verwandelt. Der Pool verschwand 2020, der Luxus blieb im Haus.
Die fünfte Etage des unscheinbaren Gebäudes im Industriegebiet von Wilsdruff bei Dresden ist der Arbeitsplatz von Richter. Der 57-Jährige ist Uhrmacher. Eigentlich wollte er das schon immer werden. Da er aber nicht in der Nähe von Glashütte wohnte, dem deutschen Uhrmacher-Standort schlechthin, entschied er sich zunächst für den Beruf des Industriemechanikers. Mit Anfang vierzig ließ er sich aber doch noch zum Uhrmacher ausbilden.
Inzwischen leitet Richter die Uhrenwerkstatt von Chrono24, einem Online-Anbieter für Luxusuhren. Richter führt ein Team von rund 20 Mitarbeitern, die als Uhrmacher, Polisseure oder Echtheitsprüfer tätig sind.
Hinter den höhenverstellbaren Tischen hebeln Mitarbeiter mit antimagnetischen Pinzetten oder Mini-Schraubenziehern Uhrwerke von Luxusmodellen auseinander – etwa das einer Patek Philippe „Nautilus“ (etwa 73 000 Euro) oder einer Audemars Piguet „Royal Oak“ (etwa 45 000 Euro). Andere polieren mit Schleifgeräten und einer feinen Paste die Uhren auf Hochglanz. „Wir machen hier das Strahlen der Uhr“, sagt Qualitätskontrolleurin Josephin Schreiber.
Seit 2003 erreicht Chrono24 über seinen digitalen Marktplatz mehr als neun Millionen Besucher – pro Monat. Derzeit sind dort rund 600 000 Uhren von über 3000 Händlern und 30 000 Privatverkäufern aus mehr als 120 Ländern gelistet. Das Unternehmen beschäftigt weltweit mehr als 500 Mitarbeiter, auch an Standorten wie New York, Miami, Tokio oder Hongkong. Der Hauptsitz ist in Karlsruhe.
Tim Stracke, der Chrono24 Anfang der 2000er-Jahre gegründet hat und inzwischen Vorsitzender des Verwaltungsrats ist, erzählt, dass er drei seiner Leidenschaften habe zusammenbringen wollen. Durch sein Interesse an Mechanik und Technik hätten Uhren ihn seit jeher fasziniert. Außerdem habe er eine Passion für Marktplätze. „Mich hat es schon immer genervt, irgendetwas zu kaufen, ohne ein Marktverständnis zu haben. Heutzutage kann man bei sämtlichen Produkten innerhalb von 15 Sekunden einen Preisvergleich im Internet vornehmen.“ Zu guter Letzt komme er aus einer Unternehmerfamilie, daher sei für ihn früh klar gewesen, dass er diesen Weg auch einschlagen werde.
Nach eigenen Angaben ist Chrono24 inzwischen „Weltmarktführer im Bereich Luxusuhren-Resell.“ Das Geschäftsmodell fußt darauf, Anbietern und potenziellen Käufern eine Plattform für gebrauchte Luxusuhren zu geben. Dass unter anderem Spitzensportler wie Cristiano Ronaldo oder Charles Leclerc in das Unternehmen investiert haben, zeigt, dass der Handel mit gebrauchten Luxusuhren ein millionenschweres Business ist.
Konkurrenten wie Chronext buhlen im selben Segment um Kunden, und auch bei Ebay wird munter um Uhren gefeilscht. Wie hat es das Unternehmen aus Karlsruhe also geschafft, so erfolgreich zu werden?
Man habe sich darauf konzentriert, „das größte und beste Angebot“ zu haben. „Für uns war es immer am wichtigsten, viele Uhren von vertrauenswürdigen Anbietern zu haben. Unsere These ist: Man geht nicht dahin, wo das Marketing am lautesten ist, sondern dahin, wo es das größte Angebot gibt“, sagt Stracke. „Es gewinnen diejenigen, die das beste Produkt haben.“
Doch selbst das beste Produkt ist nicht vor billigen Kopien, sogenannten Replikaten, geschützt. Deshalb bietet Chrono24 neuerdings einen Authentifizierungsservice an. Händler können ihre Uhr an einen von Chrono24 beauftragten Uhrmacher, der sich in der Nähe des Verkäufers befindet, entweder kostenfrei zur Echtheitsprüfung geben. Oder der Verkäufer kann, nachdem er sich mit dem Käufer auf einen Preis geeinigt hat, die Uhr nach Wilsdruff schicken. Dort prüfen Werkstatt-Leiter Christoph Richter und seine Kollegen die Uhr gegen eine Gebühr von 199 Euro und versenden sie dann an den Käufer.
Wie funktioniert die Umsetzung vor Ort? Erst mal wird in Wilsdruff jede Öffnung eines Uhrenkartons auf Video festgehalten, damit im Nachgang keine Probleme auftreten. „Ab und zu kamen auch schon leere Kartons hier an, das mussten wir dann nachweisen“, sagt Richter.
Dann wird geprüft, ob die Uhr gestohlen wurde. Dazu geben Richters Kollegen Marke, Modell und Seriennummer beim in London ansässigen „The Watch Register“ ein und erfahren innerhalb von fünf Minuten, ob die vor ihnen liegende Uhr Diebesgut ist.
Das komme aber selten vor, erzählt Richter. „In den letzten drei Monaten gab es drei Diebstahltreffer.“ In diesen Fällen informiert Chrono24 Verkäufer und Käufer. Der treuhänderisch verwaltete Kaufbetrag wird an den Käufer zurücküberwiesen.
Nach der Diebstahlüberprüfung kommt die Echtheitsprüfung. „Bitte das nicht fotografieren“, sagt Richter und zeigt auf ein schwarzes, hochauflösendes Mikroskop, das ihm und seinem Team hilft, selbst kleinste Details zu prüfen. Woran erkennt er eine Fälschung? „Als erfahrener Uhrmacher siehst du das. Es ist für uns eine Frage von wenigen Minuten“, sagt Richter. Mehr will er nicht verraten, die genauen Prüfschritte und Kriterien sollen unerwähnt bleiben.
Pro Woche werden in Wilsdruff rund 100 Luxusuhren gecheckt. Im Durchschnitt befinde sich eine Fälschung darunter. Die meisten Fälschungen gebe es von der Marke, die seit 50 Jahren den Markt der Luxusuhren dominiert: Rolex.
Zudem wird die Funktionalität der Uhr getestet. Denn das größte Problem beim Uhrenkauf seien nicht die möglichen Fälschungen. „Verkäufer beschreiben die Uhren gerne als ,besonders gut‘ oder ,ungetragen‘. Gar nicht so selten müssen wir dann sagen: Nein, das trifft nicht zu“, sagt Richter. In solchen Fällen hätten Anbieter und Käufer die Chance, sich über einen Rabatt einig zu werden oder den Deal rückgängig zu machen.
Vermutlich hat Tim Stracke auch mit Blick auf die Verkäufer recht: Es gewinnen die, die das beste Produkt haben.