Der preisgekrönte Peter Simonischek rezitiert in Waiblingen am 16. April vor leeren Reihen aus Joseph Roths „Legende vom heiligen Trinker“. Warum das Kulturamt auf Live-Stream-Veranstaltungen setzt anstatt zu verschieben.

Waiblingen - Seinen Auftritt in Waiblingen hat sich der Burgschauspieler Peter Simonischek, den viele aus dem Oscar-nominierten Film „Toni Erdmann“ kennen, ursprünglich sicher anders vorgestellt. 900 Zuschauer passen eigentlich in den Ghibellinensaal des Bürgerzentrums, und bei Simonischeks Lesung aus Joseph Roths „Legende vom heiligen Trinker“ am 16. April wären zu normalen Zeiten vermutlich keine Plätze frei geblieben. Nun aber muss Peter Simonischek wegen der derzeit geltenden Coronaregeln vor komplett leeren Stuhlreihen auftreten, die Österreichischen Salonisten, die ihn musikalisch begleiten, ebenfalls.

 

„Es ist nicht einfach für Künstler, in einem riesigen Saal zu stehen und keine Rückmeldung vom Publikum zu bekommen“, sagt Daisy Dedner vom Kultur- und Veranstaltungsmanagement der Stadt Waiblingen. Die Lesung wird trotzdem stattfinden – mit einem Publikum, das zu Hause vor den Bildschirmen sitzt. „Wir wollen keine Bugwelle an Veranstaltungen vor uns herschieben, sondern Musik und Theater präsentieren“, begründet Thomas Vuk, der Kulturamtsleiter, die Entscheidung, die im April geplanten Events im Bürgerzentrum als Live-Stream zu veranstalten und nicht zu verschieben. „Wir müssen sichtbar bleiben, und die Künstlerinnen und Künstler sollen ihre Gastspiele hier auf unserer Bühne machen.“

Mehrere Kameras nehmen Peter Simonischek in den Fokus

Dafür nimmt das Team im Bürgerzentrum einiges auf sich. Denn eine Übertragung per Live-Stream bedeutet nicht, dass Schauspieler oder Musiker auf der Bühne agieren, eine Kamera auf sie gerichtet und eingeschaltet wird. „Gearbeitet wird mit vier bis fünf Kameras, und der Kameramann muss genau wissen, was er wann in den Fokus rücken muss“, erklärt Dedner. Das Vorgehen sei vergleichbar mit dem bei einer Fernsehproduktion – nur dass nicht so viel Zeit für Probeläufe vorhanden ist. Einer muss genügen. „Bei uns ist das eine recht spontane Geschichte.“

Natürlich sei die Unmittelbarkeit und Energie im Live-Stream nicht so wie im Theater, sagt Thomas Vuk: „Aber wenn der Schauspieler in die Kamera spricht und einen anschaut, fühlt man sich persönlich angesprochen.“ Dieses besondere Erlebnis sei wiederum in einem Theatersaal so nicht möglich.

„Sommernachtstraum“ statt „La Traviata“

Neben der Lesung wird es am Donnerstag, 22. April, ein Schauspiel zu sehen geben, Gilla Cremer und Rolf Claussen treten in „Was man von hier aus sehen kann“ auf. Das Theaterstück basiert auf dem gleichnamigen Erfolgsroman von Mariana Leky und erzählt von einem Dorf und seinen ganz speziellen Bewohnern. Anders als geplant wird dann am 30. April nicht Verdis Oper „La Traviata“ zu hören und sehen sein, sondern Benjamin Brittens „Ein Sommernachtstraum“. Denn Giuseppe Verdis Werk sieht einen großen Chor vor – zu groß für Coronazeiten.

Die Bereitschaft der Schauspielenden und Ensembles, auch unter ungewohnten Bedingungen wie einem Live-Stream aufzutreten, sei groß, sagt Jennifer Lindenberger vom Veranstaltungsmanagement, die viele Gespräche zu dem Thema geführt hat. Ihr Fazit: „Alle haben positiv reagiert. Sie freuen sich über jede Möglichkeit, ihren Beruf auszuüben und etwas Geld zu verdienen.“ Die drei Live-Streams werden etwas kosten, nämlich fünf Euro. „Kultur hat einen Preis,“, sagt Thomas Vuk, wobei dieser bewusst niedrig gewählt worden sei. Das ist auch deshalb möglich, weil das Kulturamt für Veranstaltungen 120 000 Euro aus dem Förderprogramm „Neustart Kultur“ erhalten hat.

Kulturprogramm für 2021/2022 steht

Wer am Abend des Veranstaltungstags keine Zeit hat, bekommt die Chance, das Ereignis innerhalb von 48 Stunden im Nachhinein zu genießen. Thomas Vuk geht davon aus, dass auch dann, wenn Kulturbetriebe wieder öffnen dürfen, Veranstaltungen parallel als Live-Stream und als Präsenztermin stattfinden werden. Wie es vorerst weitergeht, das muss das Veranstaltungsteam Monat für Monat entscheiden. „Wir hangeln uns voran“, sagt Vuk. Etwas aber steht fest: das Kulturprogramm im Bürgerzentrum für die Saison 2021/22 ist komplett geplant.

Oper, Theater und Literatur

Kulturevents:
In der Reihe „Literatur Plus“ liest am 16. April von 20 Uhr an Peter Simonischek aus Joseph Roths „Legende vom heiligen Trinker“. Am 22. April steht ebenfalls von 20 Uhr an das Stück „Was man von hier aus sehen kann“ auf dem Spielplan, ein Schauspiel nach dem gleichnamigen Roman von Mariana Leky. Opern-Fans kommen am 30. April auf ihre Kosten, dann zeigt das Theater Pforzheim Benjamin Brittens Oper „Ein Sommernachtstraum“ nach William Shakespeare.

Karten:
Für die drei Veranstaltungen im Live-Stream muss man vorab Tickets zum Preis von fünf Euro kaufen, dann erhält man einen Zugangscode, mit dem man sich über die Internetseite des Bürgerzentrums einloggen kann. Online-Tickets kann man hier buchen.