„Stressfreien Autoverkauf“ verspricht die Online-Plattform „Wir kaufen dein Auto“ ihren Kunden. Doch Verbraucherschützer und etliche Verbraucher kritisieren dreiste Lockvogelangebote.

München - Ökonomisch gilt es als Deutschlands Vorzeige-Start-up mit einer Marktbewertung von fast drei Milliarden Euro: „Wir-kaufen-dein-Auto“ kennen sogar Menschen, die noch nie ein Auto verkauft haben – dank umfangreicher Werbung in TV und sozialen Medien. Weniger gut ist es um das Image der Berliner Auto1-Group und ihrer Online-Plattform bestellt. Im Internet braucht man nur wenige Klicks, um reihenweise auf verärgerte Kommentare wie „Zeitverschwendung, unseriös, unverschämt, Bauernfängerei, Abzocke pur“ zu stoßen. Auch bei Verbraucherzentralen wie der in Nordrhein-Westfalen laufen wegen der Praktiken der Ankaufsplattform immer mehr Beschwerden auf.

 

„Was in der Reklame heiß klingt, erzeugt bei vielen Verbrauchern nur kalte Wut“, sagt Verbraucherschützer Georg Tryba. Fälle wie diese werden immer wieder geschildert: „Ich habe die Daten von meinem Fahrzeug online bei wirkaufendeinauto.de angegeben,“ schildert ein Autobesitzer auf einem ADAC-Blog. Als Ankaufspreis wurden erst einmal 4600 Euro genannt, beim obligatorischen Vorortbesuch bei einem Filiale der Online-Plattform dann aber nur noch 900 Euro. „Bei einem türkischen Händler um die Ecke wurden mir 1900 Euro geboten“, zürnt der Autobesitzer weiter. Verkauft habe er sein Auto dann schließlich für 2500 Euro ohne die Berliner Plattform.

Oft werden nicht nachvollziehbare Gründe für den Preisverfall genannt

Ein krasser Einzelfall ist das nicht, sagt Tryba und sieht im Vorgehen eher ein Prinzip. Erst werde per Onlinerechner als Köder ein fantastisch guter Kaufpreis genannt, der dann nach Begutachtung oft zu einem fantastisch schlechten werde. Ein dokumentierter Lockvogelpreis sei von 2222 Euro auf 263 Euro zusammengeschnurrt. „Da gibt es von so manchem Verschrotter mehr Geld“, urteilt die Düsseldorfer Verbraucherzentrale. Auch die Gründe für den Preisverfall nach Begutachtung seien oft nicht nachvollziehbar. Einem Fahrzeughalter sei erklärt worden, dass Dieselautos derzeit nicht gefragt seien, was zwar stimmt. Der Besitzer hatte aber schon online angegeben, dass er einen Diesel verkaufen will, worauf ihm ein weit höherer Preis in Aussicht gestellt wurde.

Einen Verkauf hat die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen testweise begleitet. Für einen fünf Jahre alten Citroën Berlingo wurde erst online ein Lockpreis von knapp 6000 Euro genannt. Nach Vorort-Prüfung sind daraus 2679 Euro geworden. Perfide sei auch der Zeitdruck, den die Online-Autokäufer aufbauen, rügen die Verbraucherschützer. Erst werde gewarnt, dass das Angebot nur fünf Tage gelte, erklärt Tryba. Als niemand darauf reagiert habe, hätte Wir-kaufen-dein-Auto dreimal per Email das Angebot um schließlich rund 400 Euro auf gut 3000 Euro erhöht. Verkauft wurde der Berlingo dann für 5000 Euro, aber nicht über die Online-Plattform.

Der TÜV Rheinland bescheinigt attraktive Preise

Die agiere wie ein ausgebuffter Zocker, finden die Verbraucherschützer. Auf Fragen zu den Geschäftspraktiken habe sie nicht reagiert. Die viel gescholtenen Berliner verweisen hinsichtlich ihrer Preise auf eine Studie des TÜV Rheinland. Der hat die Untersuchung zwar als nicht repräsentativ gekennzeichnet, aber im Vorjahr immerhin 50 Testautos neben wirkaufendeinauto.de bundesweit auch freien, Marken- und Exporthändlern angeboten. Im Schnitt habe die Online-Plattform mit gut 4600 Euro am meisten pro Fahrzeug geboten. 500 Euro weniger waren es bei Markenhändlern, 800 bis 900 Euro weniger bei freien und Exporthändlern. Bei 31 der 50 Autos habe die Onlineplattform den besten Preis geboten und jedes Auto gekauft. Firmenmitgründer Hakan Koç beansprucht eine Kundenzufriedenheit von 70 bis 80 Prozent für das zusammen mit Christian Bertermann 2012 aus der Taufe gehobene Start-up. Erhoben wird sie aber vom Unternehmen selbst und nicht von unabhängigen Dritten.

„Natürlich gibt es auch Fälle, in denen Kunden unzufrieden sind“, räumt die Auto1-Group ein. Die Online-Bewertung diene einer ersten Orientierung. Bei der kostenlosen Begutachtung könne der Preis je nach Schäden oder Sonderausstattung nach unten oder oben korrigiert werden. Alles werde transparent dokumentiert. „Die Zufriedenheit unserer Kunden ist und bleibt dabei die Basis unseres Erfolgs“, sagt Co-Chef Bertermann und verweist auf rund 420 000 im Vorjahr gehandelte Gebrauchtwagen. Seit Firmengründung waren es über eine Million Fahrzeuge. Die Auto1 Group mache das zu Europas führender Plattform für den Automobilhandel, was jüngst auch den Technologiefond Soft Bank Vision Fund zum Einstieg bewogen hat. 460 Millionen Euro haben die Investoren bezahlt.

Verbraucher fallen auf scheinbare Bequemlichkeit herein

Private Autoverkäufer werden wohl auch angelockt, weil der Verkauf über die Plattform bequem zu sein verspricht. Das zeige sich auch bei Online-Ankaufsdiensten für Bücher oder DVDs, sagt Tryba. Selbst für aktuelle Filme oder Buchbestseller würden dort oft nur Cent-Beträge bezahlt, und Verkäufer ließen sich dennoch darauf ein. Spottpreise für Autos würden akzeptiert, weil der Verkauf unkompliziert laufe und das Geld schnell auf dem Konto sei. „Bequemlichkeit kommt Verbraucher teuer zu stehen“, warnt Tryba. Er rät dazu, ein Angebot von Wir-kaufen-dein-Auto.de nicht sofort anzunehmen. Wer selbst an Privat verkaufe, könne oft viel mehr erlösen.