Der Internetgigant Amazon plant laut einem Medienbericht, gemeinsam mit der Deutsche Post-Tochter DHL frische Lebensmittel bundesweit zu liefern. Einzelhändler fühlen sich herausgefordert, die Verbraucherzentrale warnt.

München - Der bayerische Handelsverband rechnet mit einem deutlichen Anstieg der Lebensmittelverkäufe über das Internet in den kommenden zehn Jahren. „Ich halte es für realistisch, dass der Anteil der Online-Verkäufe von Lebensmitteln in zehn Jahren bei 10 bis 20 Prozent liegt“, sagte der Sprecher des Verbands, Bernd Ohlmann.

 

Deutschland hinkt laut Ohlmann beim Online-Handel mit Lebensmitteln hinterher. Nur 0,8 Prozent aller Lebensmittel werden derzeit in Bayern über das Internet gekauft, in Großbritannien liege die Quote bereits bei 4,4 Prozent. „Im Gegensatz zu den europäischen Nachbarn haben wir ein gutes Nahversorgungsnetz“, sagt Ohlmann zur Begründung. Außerdem seien die Deutschen Schnäppchenjäger und scheuten Versandkosten. „Aber die große Logistik für den Online-Handel mit Lebensmitteln wird auch Kosten hervorrufen.“

In den vergangenen Tagen verdichteten sich die Anzeichen für einen Einstieg des US-Internetgiganten Amazon ins Geschäft mit Lebensmitteln. Amazon habe sich mit der Deutsche Post-Tochter DHL verbündet und wolle im April zunächst in Berlin mit der Lieferung von frischen Lebensmitteln beginnen, berichtete das „Handelsblatt“ unter Berufung auf Branchenkreise.

„Enttäuschungen sind vorprogrammiert“

Ohlmann glaubt, dass der Online-Handel und speziell eine Offensive von Amazon den Lebensmittelhandel deutlich verändern wird. „Wenn sich das Projekt von Amazon richtig etabliert, wird das nicht ohne Folgen bleiben für den stationären Einzelhandel.“ Dass der Online-Handel mit Lebensmitteln kommen würde, sei aber nur eine Frage der Zeit gewesen.

Die Metzger im Freistaat wollen Amazon als Mitbewerber wie bereits Supermärkte und Discounter ansehen, sollte der US-Konzern ins Lebensmittelgeschäft einsteigen. Die Zahl der produzierenden Fleischerbetriebe hat sich in den vergangenen 20 Jahren in Bayern halbiert. „Es ist letztlich die Frage, worauf der Kunde wert legt“, sagt Landesinnungsmeister Konrad Ammon. Immerhin könne der Metzger vor Ort mit Frische und persönlicher Bedienung punkten.

Auch die Verbraucherzentrale Bayern rechnet mit Problemen bei der Produktauswahl etwa hinsichtlich der Reife und Frische von Obst und Gemüse. „Enttäuschungen sind hier vorprogrammiert und Reklamationen zeitaufwendig“, sagt eine Sprecherin. Es könnte daher sein, dass die Kunden den Onlinehändlern schneller verloren gehen. Die Verbraucherzentrale weist zudem darauf hin, dass Angaben zum Mindesthaltbarkeitsdatum erst zum Zeitpunkt der Lieferung vorgeschrieben seien. Probleme könnten auch beim Widerrufsrecht entstehen. Für individuell zugeschnittene oder schnell verderbliche Waren bestehe kein Widerrufsrecht.

Rewe bislang Vorreiter beim Thema Internet-Handel

Die Gesetzeslage in Bayern sorgt aber auch für einen Vorteil für die Lebensmittelbestellung per Amazon: „Weil hier alle Supermärkte um 20 Uhr schließen“, sagt Ohlmann. Eine Lebensmittelbestellung im Internet könnte den Verbrauchern daher zu mehr Flexibilität verhelfen. „In anderen Bundesländern hat sich gezeigt, dass der Lebensmitteleinzelhandel ein großer Profiteur von längeren Öffnungszeiten ist“, sagt Ohlmann.

Für die Zukunft rät der Bayerische Handelsverband allen Lebensmittelhändlern, sich zweigleisig aufzustellen. Auch wenn nicht jeder Anbieter einen Online-Shop aufbauen könne, müsse er zumindest für die Kunden sichtbar sein. „Man muss online zum Beispiel einen Einblick ins Sortiment geben, damit der Kunde dann zielgerichtet ins Geschäft kommen kann.“

Unter den traditionellen Handelsketten ist Rewe bislang der unangefochtene Vorreiter beim Thema Internet-Handel. Das Kölner Unternehmen bietet bereits in rund 75 Städten die Möglichkeit, auch frische Lebensmittel im Internet zu ordern und dann nach Hause geliefert zu bekommen. Deutlich zurückhaltender agiert der Konkurrent Edeka. Er ist bislang bei frischen Produkten vor allem über die Online-Angebote selbstständiger Händler im Netz präsent. Lidl beschränkt sich im Internet-Verkauf auf haltbare Lebensmittel, Aldi verzichtet komplett auf Online-Handel.