Das Vorhaben der Grünen-Fraktion, Freiberger Ratssitzungen online in alle Welt zu übertragen, ist vorerst gescheitert. Es fehlt noch an der gesetzlichen Grundlage.

Freiberg/Neckar - Eigentlich klingt das Vorhaben, als hätten es die Piraten initiiert. Mit dem Slogan „Mehr Transparenz“ entern sie zurzeit die Parlamente. Doch auch die Grünen in Freiberg haben sich an die ursprünglichen Ideen der Ökopartei erinnert und werben für mehr Teilhabe der Bürger an der Lokalpolitik. Mehr Transparenz erhoffen sie sich von der Übertragung wichtiger Gemeinderatssitzungen im Internet. Deswegen haben sie den Antrag gestellt, zumindest einmal zu prüfen, ob es technisch, organisatorisch, personell und finanziell möglich ist, besonders relevante Debatten und Entscheidungen online zu übertragen.

 

Technisch dürfte das eigentlich kein Problem sein. Seelbach im Ortenaukreis hat jahrelang die Ratssitzungen für die Internetgemeinde gefilmt. Bis kürzlich der Datenschutzbeauftragte des Landes eingeschritten ist: In vielen Fällen sei es nicht erlaubt zu senden, was im Rat vorgeht, etwa wenn Verwaltungsmitarbeiter zu sehen und zu hören sind oder wenn personenbezogene Daten zur Sprache kommen. Auch dürfe kein Ratsmitglied sich in seinem Recht auf freie Rede beschränkt fühlen. Außerdem sei ein Gemeinderat kein Parlament, sondern ein Verwaltungsorgan. Man könne daher nicht die gleichen Maßstäbe anlegen wie bei einem Landtag.

Übertragung ist zu teuer und aufwendig

Auf diese Argumentation verwies der Freiberger Bürgermeister Dirk Schaible am Donnerstag. Er sei gern bereit, über den Vorschlag zu reden, wenn sich gesetzlich etwas geändert habe. Denn zurzeit gibt es keine rechtliche Grundlage für eine Liveübertragung von Ratssitzungen. Peter Diekmann, der stellvertretende Landesbeauftragte für Datenschutz, verweist auf den Gesetzgeber im Land. Der müsse es über die Gemeindeordnung regeln, Sitzungen online übertragen zu können. Die Gemeinden müssten dann die Details in ihren Satzungen selbst festlegen.

Rein theoretisch, sagt Diekmann, sei es auch heute schon möglich zu übertragen. Jedoch seien die technischen und organisatorischen Auflagen noch recht hoch. Sie zu erfüllen wäre für die Gemeinden zu aufwendig und zu teuer. „Jedes Ratsmitglied müsste vor der Sitzung schriftlich erklären, dass es in die Übertragung seiner Anwesenheit einwilligt“, erklärt Diekmann. „Eine klare gesetzliche Regelung wäre die bessere Lösung.“ Dann könne man mit einer Widerspruchsregelung arbeiten. „Wir bestreiten gar nicht, dass es ein Interesse an solchen Übertragungen gibt“, sagt Diekmann, „aber das kann man nicht nach Hausmacherart machen.“

Andernorts suchen sich die Räte eigene Wege

Auch in Niedersachsen gibt es eine solche gesetzliche Grundlage nicht. Der Stadtrat von Helmstedt überträgt seine Sitzungen trotzdem. Dort hat man selbst geregelt, wie man mit dem Thema umgehen will und filmt seit einem Jahr nur das Rednerpult, so dass die Zuschauer im Saal nicht mit erfasst werden. Alle Beteiligten haben nichts dagegen, mit ihren Redebeiträgen im Internet zu erscheinen. Die Aufnahmen sind laut dem Bürgermeister Wittich Schobert außerdem ausschließlich live und nicht für die Aufzeichnung gedacht. Wenn ein Ratsmitglied einmal nicht von der Kamera aufgenommen werden will, kann es vor der Sitzung widersprechen. „Dann müssten wir einen schwarzen Bildschirm zeigen und den Ton abstellen“, sagt Schobert. Bisher sei das aber noch nicht vorgekommen.

In Baden-Württemberg versucht Konstanz auf einem anderen Weg, auch Zuschauer außerhalb des Saales an den Ratssitzungen teilhaben zu lassen. Dort soll der „Südkurier“ von Juni an die Übertragung bestimmter Tagesordnungspunkte übernehmen. Die Bedingungen des Datenschutzes hatten diese Leistung für den Rat selbst technisch und organisatorisch unmöglich gemacht, sagt Walter Rügert, der Pressesprecher der Stadt Konstanz. Er erklärt den Unterschied so: „Wir als Rat müssen uns dem Datenschutz mehr beugen als ein Medium. Der ,Südkurier‘ hat als Presseorgan andere Maßstäbe zu erfüllen.“

In Freiberg findet Ralph Schmid von der Offenen Grünen Liste, dass man den Datenschutz anzweifeln dürfe, wenn das Interesse der Bürger an politischen Debatten beschnitten werde. Trotzdem einigte man sich darauf, den Antrag zurückzuziehen und ihn neu zu stellen, wenn das Gesetz eine Online-Übertragung erlaube. Dann bekäme man, was Grüne wie Piraten fordern: mehr Transparenz.