Im kommenden Jahr gibt es sie 15 Jahre: Die „Open Stage“ der Rosenau im Stuttgarter Westen bietet Talenten eine Bühne.

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Manche nehmen sich einige Wochen dafür frei. „Die reisen von Spielort zu Spielort, um an Open Stages teilzunehmen – und landen auch immer bei uns.“ Michael Drauz schmunzelt. Der künstlerische Leiter der Rosenau Lokalität & Bühne im Stuttgarter Westen kann viele Geschichten dazu erzählen. War er doch derjenige, der im März 2003 die sogenannte Offene Bühne mit aus der Taufe gehoben hat. Das Prinzip ist so einfach wie genial: Die Rosenau stellt jedem, der etwas vorführen will, die Bühne gratis zur Verfügung. „Es ist die Möglichkeit, sich auszuprobieren, einzuspielen oder seine Nummern weiterzuentwickeln, ganz gleich welchen Genres“, beschreibt Drauz und zählt auf. „Ob Kabarettisten, Pantomimen, Schauspieler, Comedians, Clowns, Sänger, Stepper, Musiker, Tänzer, Zauberer, Jongleure, ob Profis, Laien und Anfänger, alle sind willkommen.“

Einzige Bedingung: Wer mitmachen will, muss sich bei Drauz anmelden. Pro Open Stage gibt es in der Regel acht, jeweils etwa zehn Minuten lange Auftritte. Gage gibt es nicht, aber ein Abendessen, Freigetränke und die Chance vor Publikum sein Bestes zum Besten zu geben. Drauz betont: „Die Offene Bühne ist kein Casting, kein Wettbewerb – und wir casten auch nicht vorher. Die Plätze auf der Bühne werden in der Reihenfolge der Anmeldung verteilt, natürlich schauen wir, dass das Programm abwechslungsreich ist.“ Wenn jemand sich zu spät anmeldet oder eine Show voll ist, bekommt er bei der nächsten seine Chance.

Vielfalt ist gewünscht

Drauz war von Anfang an wichtig, dass die Performer nicht allein auf der Bühne stehen, sondern mit einem professionellen Moderator. Das gebe Sicherheit. „Ich führe kurz ein, dann übernimmt der Moderator, der vorher die Künstler interviewt hat, woher sie kommen, was sie tun, wie lange sie das tun und warum, wie sie angekündigt werden wollen.“ Bei Bedarf würden auch die Künstler in Sachen Zukunft beraten, etwa welche Agentur zu ihnen passen könnte. Vielfalt will Drauz auch bei den Moderatoren. „Sie wechseln sich ab!“ So übernahm diesen Part kürzlich der Musiker und Entertainer Christian Langer von „Die Füenf“. Im Januar wird wieder Comedian und Musiker „Count Baischy“ Roland Baisch durch die Open Stage geleiten. Und im Februar präsentiert unter anderem der Schauspieler Sebastian Schwan das Programm. Maßgeblich zum Erfolg des Formats hat – neben Baisch – auch der Berliner Künstler und Moderator Detlef Winterberg beigetragen. Mitte der 1980er-Jahre gründete er mit Gleichgesinnten in der Hauptstadt eine der ersten „Offenen Bühnen“, das „Scheinbar kleinste Varieté Deutschlands“.

Das inspirierte die Rosenau-Macher. „Als wir 2003 damit begannen, waren wir die ersten in Stuttgart, die eine Open Stage wagten“, erinnert sich Drauz. „Zunächst war das ein Versuch. Einige sagten uns, so etwas geht hier nicht, es gebe nicht einmal genug Künstlerinnen und Künstler, die auftreten könnten.“ Doch die Bedenkenträger wurden eines Besseren belehrt. Weder an Kunstschaffenden noch an Publikum mangelte es. Schnell sprach sich die Rosenau Open Stage herum, bald kamen die Auftretenden auch aus anderen Städten. Aufgrund des Erfolgs entschieden die Macher denn auch nach sechs Jahren, zwei Mal im Monat die Bühne für alle zu öffnen.

Von Didgeridoo bis Rhönrad

Im kommenden Jahr wird das wieder so sein während der Spielzeit. Eine Änderung gibt es dennoch: Die Open Stage findet nicht mehr montags, sondern ab Januar 2018 immer an einem Dienstag statt. Dass ein solches Konzept heute nötiger ist denn je, davon ist Drauz überzeugt. „Menschen müssen die Möglichkeit haben, jenseits jeglichen kommerziellen Denkens ihren künstlerischen Ambitionen Ausdruck zu verleihen, es braucht einen Ort des Experimentierens – vor einem tollen Publikum, das mitgeht, offen ist wie kein anderes und fair Feedback gibt. Da geht es lustig und ernst zu! Auch probieren Schauspielstudierende ihre Texte aus, und das Publikum honoriert es.“ Das erlebe auch mal unüblichere kulturelle Genres. Neben Didgeridoo-Bläsern, Folkloristischem und vielköpfigen Vokalensembles seien in der Rosenau auch mal zwei junge Damen mit dem Rhönrad aufgekreuzt, erzählt er. „Wir mussten die Stühle im Saal wegräumen. Wenn es technisch umsetzbar ist, machen wir alles, die Diversität zählt.“