Die Oper Stuttgart hätte gewarnt sein können: Mit einem neuen Logo kann man was erleben. Der neue Entwurf erntet zum Teil heftige Kritik.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Oper hätte gewarnt sein können. Wer ein neues Logo etablieren will, der kann etwas erleben. Das mussten zuletzt die Tourismuswerber der Region Stuttgart schmerzhaft erfahren. Nach einem Sturm der Entrüstung kassierten sie ihr stolz präsentiertes Werk und gaben ein völlig neues in Auftrag.

 

Ein Sturm ist es noch nicht, den die Stuttgarter Oper (das vorangestellte "Staats-" hat sie gestrichen) mit ihrem neuen Auftritt entfacht hat; es waren ja auch Theaterferien. Aber eine muntere Debatte ist schon vor dem Start in die neue Spielzeit in Gang gekommen. Vor allem in der Grafikdesignerszene, aber auch unter Opernfreunden wird das neue Logo höchst kontrovers erörtert. Bis hin zu "Blamage" und "völlig misslungen" reichen die kritischen Reaktionen.

Wie die Ausschläge eines Messgerätes

Bisher war das Erscheinungsbild der Württembergischen Staatstheater aus einem Guss. Gestaltet von der angesehenen Stuttgarter Agentur Strichpunkt, präsentierten sich die drei Sparten unter einem Dach. Für die Oper stand eine Rosette. Doch der neue Opernintendant Jossi Wieler war damit unzufrieden. Die Vielfältigkeit des Hauses komme in dem Auftritt "nicht zum Ausdruck". Also wurde eine neue Agentur beauftragt, der Oper ein individuelles grafisches Gesicht zu verpassen: Surface aus Frankfurt.

Was die "Gesellschaft für Gestaltung" ausgeheckt hat, ist schon verschiedentlich zu besichtigen - auf einem Transparent am Großen Haus etwa, der Internetseite der Staatstheater oder dem neuen Spielplan. Der Schriftzug "Oper Stuttgart" verläuft nun leicht schräg nach oben. Mittendrin überdeckt eine wilde Zickzacklinie die Buchstaben "R" und "S" - wie die Ausschläge eines Messgerätes. "Störung" nennen sie opernintern die Stelle, die ein wenig aussieht, als hätte der Grafiker einen Entwurf wütend durchgekritzelt.

Das neue Logo passe eher zu einem Techno-Festival

In einschlägigen Internetforen entzündet sich die Kritik nicht nur an der mangelnden Lesbarkeit: "Opetuttgart" stehe da nun. Das neue Logo passe eher zu einem Techno-Festival, wird moniert, es bleibe gestalterisch weit hinter dem alten zurück. "Ästhetisch-kommunikatives Urteilsvermögen" lasse der neue Auftritt insgesamt vermissen, rügen Kritiker. Es sei ein Rückschritt, dass jede Sparte nun in puncto Corporate Design ihr eigenes Süppchen koche.

Bei etlichen Betrachtern weckte der verzitterte Schriftzug die Assoziation zu Lärm oder Erdbeben. Oper als Lärm darzustellen, finden sie, das sei schon verwegen. Man könne nur hoffen, "dass es sich um einen Platzhalter handelt, eingefügt von einem Scherzbold", kommentierte ein vielgelesener Branchenblog für Grafikdesigner.

Der Auftritt darf etwas unbequem sein

Doch die Oper und ihre Agentur meinen es ernst. Wenn man an Erdbeben denke, sagt der Surface-Chef Markus Weisbeck, habe er "kein Problem damit". Die "dynamische Notation" sei durchaus erwünscht. Seinen vollen Charme entfalte das Logo indes erst, wenn es animiert mit wandernden Amplituden zu sehen sei, verheißt Weisbeck - etwa auf geplanten Spots in der U-Bahn.

"Wir wollten kein Nullachtfünfzehn-Logo", sagt auch die Pressesprecherin der Oper, Sara Hörr. So wie vom neuen Intendanten Wieler die eine oder andere unbequeme Inszenierung zu erwarten sei, dürfe auch der Auftritt etwas unbequem sein. Für einen fünfstelligen, "branchenüblichen" Betrag habe man ganz bewusst "etwas Offensives" entwickeln lassen. "Es funkt zwischen der Oper und der Stadt" - diese Lesart würde Hörr zusagen.

Zündstoff liefert das Logo in der Tat. Die Reaktionen seien gemischt, berichtet die Sprecherin, von sehr positiv bis zu gewöhnungsbedürftig. Seinen ersten Zweck habe der neue Auftritt damit schon erreicht: "Wir freuen uns, wenn es angeregte Diskussionen gibt." Manche Kritiker wirken eher aufgeregt. Erst das Tourismuslogo, nun das Opernlogo - die Stuttgarter, zürnt ein schwäbischer Werbeveteran, der das Treiben seit Langem von Paris aus beobachtet, würden derzeit "von lauter großen und kleinen Plagen überkommen". Mit dem "ganzen Logo-Quatsch" mache sich die Stadt allmählich "bundesweit lächerlich".