Der Filmemacher Wim Wenders hat an der Berliner Staatsoper Bizets „Perlenfischer“ inszeniert.
Berlin - Wenn Filmemacher Oper inszenieren, dann ist das kein Selbstläufer. Häufig scheitern die Regisseure am anderen Genre, das seine eigenen Gesetze hat. Dass dabei Revolutionäres entsteht wie Patrice Chéreaus Jahrhundert-Ring, ist die absolute Ausnahme. Auch Wim Wenders hatte im Jahr 2013 das Angebot, einen „Ring des Nibelungen“ bei den Bayreuther Festspielenzu inszenieren. Das Projekt kam nicht zustande, so dass der renommierte Filmregisseur nun an der Berliner Staatsoper im Schillertheater mit Georges Bizets „Les pêcheurs de perles“ (Die Perlenfischer) sein Operndebüt feierte. Das selten gespielte Werk hatte er sich gewünscht, weil er Ende der 70er Jahre in San Francisco die Arie des Nadir täglich in einer Opernbar hörte und davon tief berührt war. Auch für Dirigent Daniel Barenboimist die Oper ein Debüt. Während er mit seiner Staatskapelle Berlin gerade in den dramatischen Passagen des zweiten und dritten Aktes scharfe Kanten und Kontraste sucht und neben dem zarten Streicherglück auch verstörende Härten entwickelt, bleibt Wim Wenders’ seltsam altbackene und fantasielose Inszenierung im schönen Schein stecken. Der leere, schräg abfallende Strand des Bühnenbildners David Regehr wird durch die angrenzenden schwarzen Vorhänge seiner Wirkung beraubt und erinnert so eher an einen Theaterabend im katholischen Gemeindezentrum, zu dem auch die Langhaarperücken und die wallenden Gewänder von Montserrat Casanova gut passen würden. Nur die subtile Lichtregie von Olaf Freese schützt vor zuviel Biederkeit.
Wenders möchte die in Ceylon spielende Geschichte, in der zwei Männer um die Liebe der Priesterin Leila konkurrieren, nicht in die Gegenwart holen, sondern die Dreiecksgeschichte archaisch erzählen und vor allem die Musik in den Vordergrund rücken. Deshalb interpretiert er nicht, sondern bebildert das Libretto - lässt Leila bei ihren Gebeten, die die Bewohner der Insel schützen sollen, vor einem kitschig-schönen Sternenhimmel knien oder gefilmte Wellen anrollen, wenn vom Meer gesungen wird. Immer wieder arbeitet er mit einem Gazevorhang, der die Szenerie weichzeichnet und Projektionsfläche für kurze Videosequenzen in Schwarzweiß bietet, in denen die Vorgeschichte erzählt wird. Das ist schön anzuschauen, handwerklich solide gearbeitet und dezent präsentiert – eine Deutung des Geschehens bewirkt es nicht.
Es sind musikalische Momente, die sich einprägen. Olga Peretyatko-Mariottis beweglicher Sopran hat in den letzten Jahren noch an Geschmeidigkeit und satter Tiefe gewonnen, so dass sie als Leila die gesamte Bandbreite der Emotionen in modellierte melodische Linien bringen kann. Bei der hoch liegenden Arie „Je crois entendre encore“, die Wenders einst in San Francisco zu Tränen rührte, hat Francesco Demuro zwar ein paar Wackler, aber das besondere Timbre des Italieners und die Fragilität seines Tenors macht seine Interpretation des Nadir zu etwas Kostbarem. Gyula Orendt bietet als zwischen Liebe, Freundschaft und Eifersucht hin- und hergerissener Dorfführer Zurga das packendste Rollenporträt. Wolfgang Schöne gibt Nourabad als mosesgleichen Dorfältesten mit Stab, weißer Mähne und kräftigem Bassbariton. Nach Intonationsschwächen zu Beginn steigert sich der Chor (Einstudierung: Martin Wright) zu einem klanggewaltigen Kollektiv, das durchaus bedrohlich werden kann. Am Ende gibt es im Schiller-Theater Bravos für die Musik und höflichen, mit wenigen Buhs angereicherten Applaus für Wim Wenders und sein Team.
Weitere Vorstellungen: Die weiteren Termine der Saison sind ausverkauft. Wiederaufnahme am 13. April 2018.