Das Festival Rossini in Wildbad hat die französische Fassung von Rossinis Moses-Oper gezeigt

Bad Wildbad - Die Musik gehört zum Schönsten, was Rossini geschrieben hat: Es gibt große Chöre, virtuose Arien, feine Duette und Ensembles, die im dritten Akt auch ein wirkungsvolles kollektives Gebet einschließen, und einen ungewöhnlichen, weil rein orchestralen Opernschluss. Das ist die eine Seite der Oper „Moïse“. Die andere: Gioachino Rossini hat die italienische Urfassung des 1818 uraufgeführten Stücks, „Mosè in Egitto“, 1827 für die Pariser Oper in einer Weise bearbeitet, die das Stück psychologisch und dramaturgisch noch brüchiger und unglaubwürdiger erscheinen lassen. Ein weiteres Problem ist der durch die Reihung großer Tableaus entstehende oratorische Charakter, der dieses frühen Exemplar der Grand Opéra wirken lässt wie ein Breitwandspektakel für Belcanto-Fans.

 

Genau so konnte man „Moïse“ jetzt beim Festival Rossini in Wildbad erleben: als Fest teilweise grandioser Stimmen auf einer eher weniger denn mehr bewegten Szene und vor Videobildern (von Anton Kaun) im Hintergrund, die unter anderem die israelisch-palästinensische Gegenwart herbei assoziierten. In seiner Inszenierung umschifft der Intendant Jochen Schönleber sorgsam die Klischee-Klippen des Stücks; der Rest erschöpft sich in einer geordneten Drapierung des reichlich vorhandenen Bühnenpersonals, darunter auch des gut singenden Górecki Chamber Choirs. Die Neigung des Regisseurs zu symmetrischen Paartanz-Défilées muss man nicht teilen, aber mit ihrer Hilfe füllt er immerhin auch in der Ballettszene das Bild.

Glänzende Solisten müssen leider viel zu laut singen

Der Star unter den Sängern ist der US-amerikanische Tenor Randall Bills, der den zwischen Liebe und Rachefuror zerrissenen Pharaonensohn Aménophis mit grandioser Präzision und herrlicher Höhe selbst durch hochvirtuoses Zierwerk führt. Alexey Birkus ist ein Titelheld mit schöner Bass-Tiefe. Luca dall’ Amico gibt einen rundum überzeugenden Pharao, Patrick Kabongo einen sehr feinen Eliézier, Elisa Balbo als Anaï gelangt im Laufe des Abends zu genauer, auch in der Höhe präziser, kraftvoller Gestaltung, und Silvia Dalla Benetta ist eine nicht nur bei Koloraturen glänzende Sinaide mit eben geführter Höhe. Unter der Leitung von Fabrizio Maria Carminati lassen allerdings die Virtuosi Brunenses vor allem unter den Violinen jene letzte Spannung und Bündelung vermissen, mit der in Wildbad der musikalische Chef Antonino Fogliani sonst oft geglänzt hat. Es gibt schöne Momente, aber bei den solistischen Bläsern zerbröselt vieles, Rossinis treibende Triolen wirken zu müde, um den Motor antreiben zu können, intonatorisch ist vieles nur ungefähr, und vor allem klingt fast alles viel zu laut. Es hätte jemanden geben müssen, der den Sängern das Singen ermöglicht und das Schreien verbietet. Das vom Orchester dynamisch subtil differenzierte Gebet im vierten Akt bietet dafür wenigstens ein bisschen Entschädigung.