Die Denkmalschutzbehörden zeigen sich nach Informationen unserer Zeitung offenbar kompromissbereit, was die Aufweitung der Südfassade des historischen Littmann-Baus angeht. Weiterhin offen ist die Frage, wo Oper und Ballett während der mehrjährigen Sanierungsdauer des Großen Hauses auftreten werden.

Stuttgart - In die Diskussion um die Art und den Umfang der geplanten Sanierung des denkmalgeschützten Stuttgarter Opernhauses kommt Bewegung. Nach Informationen unserer Zeitung gibt es zwar bei den Denkmalschutzbehörden weiterhin gravierende Bedenken gegen eine Aufweitung der südlichen Fassade des historischen Littmann-Baus. Allerdings wären die Fachleute offenbar unter bestimmten Umständen bereit, einer Verschiebung eines etwa 20 Meter langen Teilstücks der Fassade um circa zwei Meter in Richtung Landtag zuzustimmen. Dies würde die von den Staatstheatern gewünschte Erweiterung der sogenannten Kreuzbühne ermöglichen. Die Oper könnte so mehr Inszenierungen pro Spielzeit anbieten, und der Umbau des Bühnenbilds würde erleichtert.

 

Zwar stehen die offiziellen Stellungnahmen der Oberen Denkmalschutzbehörde (angesiedelt beim Regierungspräsidium) sowie der Unteren Denkmalschutzbehörde (Stadt Stuttgart) zu den denkmalschutzrechtlichen Belangen des Umbaus noch aus. Doch spätestens bis zur nächsten Verwaltungsratssitzung der Württembergischen Staatstheater am 11. Juli dürfte sich manifestiert haben, was hinter den Kulissen inzwischen debattiert wird. Demnach sehen auch die Denkmalschützer die Erweiterung der Kreuzbühne nach Süden als vergleichsweise weniger schädlich für das äußere Erscheinungsbild des im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts vom Architekten Max Littmann erbauten Großen Hauses an. Ein maßvoller Eingriff würde demnach den Status der Stuttgarter Oper als Kulturdenkmal auch nicht gefährden.

Neu- oder Umbau des Kulissengebäudes bei Denkmalschützern unumstritten

Das heißt freilich nicht, dass damit die Bedenken gegen eine Sanierung ausgeräumt wären. Der Eingriff in den historischen und vom Krieg verschont gebliebenen Bau bleibt aus Sicht der Denkmalexperten erheblich. Angesichts der ebenfalls diskutierten Varianten wie etwa einer Erweiterung der Bühnenlandschaft unter der südlichen oder nördlichen Seitenbühne, die Auswirkungen auf die Statik des gesamten Operngebäudes hätte, gilt die Aufweitung der Südfassade aber selbst den professionellen Denkmalschutzbehörden als das kleinere Übel.

Keine Bedenken haben zumindest die Fachleute der Stadt, was die geplante Neugestaltung des großen Kulissengebäudes entlang der Konrad-Adenauer-Straße angeht. In einer Vorlage für die Januar-Sitzung der gemeinsamen Baukommission von Stadt und Land, die sich die Finanzierung der auf mindestens 400 Millionen Euro geschätzten Sanierungskosten laut Staatsvertrag je zur Hälfte aufteilen, heißt es, die Denkmalbehörde unterstütze das Vorhaben „in vollem Umfang“. Demnach könnte das Kulissengebäude sowohl an die Straßenkante vorgezogen als auch unter Einbeziehung der Turnhalle des Königin-Katharina-Stifts bis zur Schillerstraße verlängert werden. Ziel ist es, möglichst zusätzliche Flächen für die Oper zu gewinnen. Ein bis zu 19 Meter hoher Neubau oder Anbau an den bestehenden Zweck-Betonbau aus dem 1960er Jahren, der auch bis zu zwei Etagen unter der Erde für Werk – und Lagerstätten umfassen könnte, wäre städtebaulich eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Ist-Zustand.

Für das Gymnasium am Gebhard-Müller-Platz, ohnehin schon von Baustellen umzingelt, wäre das Vorhaben freilich mit Nachteilen verbunden. So würde etwa der Durchgang zwischen der Konrad-Adenauer-Straße und dem Oberen Schlossgarten entfallen. Auch der Pausenhof, die Lehrerparkplätze und die Turnhalle wären tangiert.

Erst im November sollen konkrete Kostenschätzungen auf dem Tisch liegen

Laut Zeitplan sollen im November die Prüfungen aller Sanierungsmaßnahmen abgeschlossen sein, zu denen auch eine Überbauung des sogenannten Böhm-Pavillons auf der Westseite der Oper gehört. Diese Maßnahme ist der aus Sicht der Staatstheater und der Stadt notwendigen Erweiterung des gastronomischen Angebots geschuldet. Spätestens zum Jahresende sollen auch die Gesamtkosten der Opernsanierung beziffert werden, die von Kennern auch schon einmal auf bis zu 600 Millionen Euro geschätzt wurden. 2017 soll es einen Architektenwettbewerb geben, der sämtliche Sanierungsmaßnahmen umfasst.

Bis dahin soll auch Klarheit über die Frage herrschen, wo die Oper und das Ballett während der fünf- bis siebenjährigen Renovierungs- und Bauarbeiten auftreten. Den in einem von den Staatstheatern in Auftrag gegebenen Gutachten angepeilten Bau einer ohne Berücksichtigung der Ausstattungskosten 15 Millionen Euro teuren Interimsspielstätte in Form eines fünfgeschossigen Baus an Stelle des Eckensees hatte OB Fritz Kuhn (Grüne) zuletzt für politisch nicht durchsetzbar erklärt. Auch der vom Konzertveranstalter Michael Russ ins Gespräch gebrachte Bau einer Konzerthalle an der Schillerstraße ist vom Tisch. „Der Obere Schlossgarten kommt als Standort für eine Ersatzoper nicht in Betracht“, heißt es im Rathaus apodiktisch.

Die Option der Anmietung eines der beiden Möhringer Musical-Theater wurde nach wie vor nicht geprüft – offenbar auch deswegen, weil die akustischen Baustandards für die elektronisch verstärkten Musicalhits nicht mit jenen für die ohne Elektronik dargebotenen Opernarien vergleichbar sind. Auf Anfrage unserer Zeitung teilte der Betreiber der Musical-Theater, die Hamburger Stage Entertainment, zum wiederholten Male mit, man sei weder von der Landesregierung noch von der Intendanz der Württembergischen Staatstheater zu diesem Thema kontaktiert worden.