Im Stuttgarter Wilhelma-Theater glänzen Sänger der Opernschule bei Mozarts „Così fan tutte“. Der Regisseur Olivier Tambosi versteht das Stück als Farce mit glücklichem Ende. Davor gibt es Heiteres, Tiefes und auch ein bisschen Verkleidungsklamotte.

Stuttgart - Sechs Akkorde, fünf Silben: Co-sì fan tut-te, so machen es alle. Das markante, schlichte Motiv ist das Signet von Mozarts Oper „Così fan tutte“. Es erklingt erstmals in deren Ouvertüre und letztmals kurz vor deren Schluss. Zwischen diesen je zwei Takten liegen drei Stunden wildester Herzensirrungen und -wirrungen, und bleibt man an der Oberfläche der Musik und des Textes von Lorenzo da Ponte im finalem Sextett, dann ist hinterher alles wie zuvor: alles eitle Harmonie. Regisseure, die den tiefen Gefühlen der Bühnenmenschen in der Oper glauben, nehmen dies heute in der Regel nicht hin – und zeigen deshalb am Ende zwei ratlose, emotional entwurzelte Paare, die nicht wissen, auf was oder wen sie sich überhaupt noch verlassen können.

 

Olivier Tambosi gehört nicht zu ihnen. Er sieht „Così fan tutte“ als Farce, ja als Satire, und so hat er das Werk am Donnerstag mit Sängern der Stuttgarter Opernschule auch inszeniert. Im zweiten Finale werfen bei ihm alle Akteure die Verkleidungen hinter sich und lassen ausgelassen die Beine von der Rampe in den Orchestergraben baumeln. War da was?

Es gibt Gründe genug, an Tambosis Happy End ebenso zu zweifeln wie an jenem in Musik und Text, das schlicht der gesellschaftlichen Realität im 18. Jahrhundert Rechnung trug. Aber davon einmal abgesehen, erlebt man im Wilhelma-Theater einen sehr munteren Abend mit vielen schönen Momenten. Einige davon sind, oft unterstützt von launig oder charakterisierend zugespitzten Übertiteln (Bernd Schmitt), ausgesprochen lustig - wie etwa das hübsch durchinszenierte lange Schweigen der zwei Paare im zweiten Akt oder etliche Szenen, in denen keiner der Akteure weiß, zu wem er oder sie sich jetzt eigentlich hingezogen fühlt. Viele Momente bei Tambosi haben außerdem Tiefgang, denn der Regisseur nimmt die Zerrissenheit der Figuren und ihre Gefühlsextreme durchaus ernst. Und die Darsteller im Stück sind zwar noch Studierende der Musikhochschule, aber beileibe keine Bühnendebütanten mehr. Sie können spielen, und sie tun es auch.

An der Koordination zwischen Orchestergraben und Bühne kann noch gefeilt werden

Singen können sie obendrein. Eine Despina mit der schauspielerischen und vokalen Souveränität (und Spielfreude!) von Ho-Yong Yang würde jedes größere Theater schmücken: ein ungetrübter Genuss. Bravourös meistert auch Malgorzata Roclawska die erregungsgezeugten weiten Intervallsprünge in der Partie der Fiordiligi („Come scoglio“), der sie außerdem eine glänzende, ungefährdete Höhe mitgibt. Beatriz Simoes stattet die Dorabella mit vielen weichen, leuchtenden Farben aus. Die letzte Souveränität bei Verzierungen wird den Damen noch zuwachsen. Johannes Fritsche als Guglielmo ist eine Bank; seine Sicherheit geht dem oft intonationsgefährdeten Mathias Tönges (Don Alfonso) noch ab. Patrik Hornak (Ferrando) hat ein wunderbares, geschmeidiges Tenor-Timbre; man könnte es noch mehr genießen, wenn er nicht zuweilen mit Kraft das fehlende letzte Quäntchen Geschmeidigkeit und Differenzierung wettmachen wollte.

Dass vor allem im ersten Akt oft viel zu laut gesungen wird, ist allerdings auch dem Dirigenten Richard Wien anzulasten. Der führt das Stuttgarter Kammerorchester mit sehr forschem Tempo durch den schnellen Ouvertüren-Teil, arbeitet schöne instrumentale Klangfarben heraus, könnte mit der Dynamik aber noch ein bisschen vorsichtiger umgehen. Die Koordination von Graben und Bühne hat noch Optimierungspotenzial. Und über manche sehr langsamen Tempi könnte man auch noch nachdenken: weil sie den Sängern in Arien und Ensembles Mühe machen, und das kann man in der Opernschule, die als Ausbildungsstation Studierenden Rüstzeug und Schützenhilfe gibt, eigentlich nicht wollen.

Termine: 1.-3., 5., 7., 10. und 12. Februar