Die Vorschläge, den Oppenheimer-Platz am Rande der Königstraße neu zu beleben, werden konkreter. Die Initiative für die Rückeroberung des Platzes träumt von einer riesigen Leinwand an einer der Fassaden und will im Oktober ein großes Fest auf dem Platz organisieren.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Der Schleichweg vom Oppenheimer-Platz in Richtung Rathaus führt direkt auf die Rückansicht eines asiatischen Lokals zu, das Teil des gastronomischen Angebots der Schulstraße ist. Oben sind Lampions aus Fernost zu sehen, darunter ein verblichener Apollo-Optik-Schriftzug und auf Augenhöhe jede Menge Tags, die Hieroglyphen der Sprayer.

 

Was an dieser Stelle dagegen fehlt: Ein Hinweis darauf, dass sich in diesem Haus die „Alte Münze“ befunden hat, in der Joseph Süßkind Oppenheimer das Geldgeschäft von Herzog Carl Alexander reformierte. Wegen der Nähe zur „Münze“ wurde der angrenzende Platz vor 20 Jahren nach ihm benannt.

Dass die Stadt seit zwei Dekaden hier an den Verwaltungs- und Finanzexperten zu erinnern versucht, der 1738 auf grausame Weise hingerichtet wurde, wissen die wenigsten. Der Platz befindet sich in einem Schwebezustand zwischen öffentlicher Latrine und Baustelle. „Wenn wir sagen, unser Café befindet sich am Oppenheimer-Platz, ernten wir Schulterzucken“, erklärt Roy Safo, der mit seiner Frau Mes hier das Consafos betreibt.

Stadt will den Platz verschönern

Das Ehepaar Safo ist Teil einer illustren Reisegruppe, die von Klaus Volkmer vom Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung über den Platz geführt wird. Familie Safo, Michael Kienzle von der Stiftung Geißstraße, Thomas Schnabel vom Haus der Geschichte und andere wollen den Platz gemeinsam so beleben, dass der Name Oppenheimer nicht ein zweites Mal entehrt wird. Die Stadt hat Interesse signalisiert, den öffentlichen Raum an dieser Stelle zu verschönern, wartet aber in Person von Klaus Volkmer mit einer Nachricht auf, die für Kopfschütteln sorgt.

Mitten auf dem Platz wird für ein Jahr ein sogenannter Logspace angesiedelt, von dem aus Päckchen für die weitere Anlieferung in der City verteilt werden. „Das ging logistisch nicht anders, ist aber auf ein Jahr begrenzt“, verspricht Volkmer. Er schlägt vor, den Lieferverkehr künftig auf eine Seite des Platzes zu beschränken, damit man als Fußgänger keine Angst mehr haben muss, von einem Sattelschlepper überfahren zu werden.

Bei der Ortsbegehung zeigt sich, wie bunt und vielstimmig die Gruppe geworden ist, die den Oppenheimer-Platz retten will. Zum Beispiel Manuel Schupp. Der Architekt setzt sich seit Jahren intensiv mit der Geschichtes des Ortes auseinander. Er fordert eine mediale Bespielung einer der Fassaden, inklusive einer Tribüne in Form einer Leichtbaukonstruktion über der Tiefgaragenzufahrt. „Wir haben so viele Film-Festivals: Warum veranstalten wir nicht ein dauerhaftes Screening verschiedener Inhalte an dieser Stelle, eine Art Film-Biennale im öffentlichen Raum?“

Das Gedenken soll sichtbar sein

Schupp will den Platz nicht nur museal denken, andere Teilnehmer der Runde wollen die Erinnerungskultur an Oppenheimer dagegen auf die Spitze treiben. „Es bedarf eines besonderen Zeichens in Form einer Lichtskulptur, die mit dem Schicksal verknüpft ist“, sagt Klaus Volkmer und schlägt einen stilisierten Käfig vor, um an das brutale Ende von Oppenheimer zu erinnern, dessen verwesender Leichnam nach der Hinrichtung im Februar 1738 sechs Jahre lang ausgestellt wurde. Hitzige Diskussion in der Runde: Braucht es eine solch harte Form der Erinnerung oder ist das zu abschreckend?

Michael Kienzle, der Vorsitzende der Stiftung Geißstraße, der vor 20 Jahren für die Benennung des Platzes gesorgt hat, führt den Diskurs in seiner ruhigen Art auf weltlichere Themen: Er wünscht sich ein dauerhaftes, nicht kommerzielles Sitzangebot auf dem Platz, der noch ein halbes Jahr von der Baustelle des Gebäudes an der Königstraße 29 dominiert sein wird.

Mes Safo schaut noch weiter in die Zukunft. Sie könnte sich vorstellen, einen regelmäßig stattfindenden Markt für besondere Dinge zu initiieren, um den Platz bekannter zu machen. „Der Erfolg der alternativen Ausgeh- und Konsummeile Fluxus hat gezeigt, dass es einen Bedarf für schöne Dinge und alternative Kultur gibt“, so Safo.

Im Oktober gibt es ein Fest auf dem Platz

Am Ende der Runde der Freunde des Oppenheimer-Platzes ist es Klaus Volkmer, der die Interessierten ermahnt, sich auf eine gemeinsame Stoßrichtung für den Platz zu einigen: „2019 beginnen die Haushaltsberatungen. Bis dahin sollten Sie ein Ziel haben, in welche Richtung die Initiative konkret gehen will.“ Michael Kienzle begrüßt dieses Ansinnen: „Mir liegt etwas daran, dass ich die Aufwertung des Platzes noch persönlich erlebe.“

Zum Schluss einigt sich die Runde darauf, dass am 20. Oktober ein gemeinsames Fest auf dem Platz stattfinden soll, um an die Benennung vor 20 Jahren zu erinnern. Mit einer langen Tafel, mit jüdischer Musik, einem Geschichtenerzähler und vielem mehr – als Auftakt für die Rückeroberung des öffentlichen Raumes an ausgesuchter Stelle. „Dieser Ort muss einfach bekannter werden“, sagt Roy Safo. „Die Leute verstehen erst, wo sich unser Café befindet, wenn ich ,beim Dreifarbenhaus’ sage.“

Das wiederum sagt einiges über Prioritätensetzung und das Ignorieren der eigenen Geschichte in Stuttgart aus.