Die vom Bund beschlossene neue Cyberagentur ist umstritten: Von „Kompetenzwirrwarr“ bis teure „PR-Maßnahme“ reicht die Kritik der Opposition. Ein „blaues Wunder“ könnte die Bundesregierung demnach bei der Rekrutierung von IT-Experten erleben.

Berlin - Einen „echten Edelstein“ sieht der Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Peter Tauber, in der geplanten Cyberagentur des Bundes. Doch bis dort die Arbeit beginnen kann, sind noch viele Fragen zu klären. Sicher ist seit vergangener Woche, dass die Agentur am Flughafen Halle-Leipzig angesiedelt werden soll. In der Region gebe es ein gutes akademisches Umfeld und eine hungrige Forschungslandschaft, sagte Tauber erläuternd zur Standortentscheidung. Der CDU-Politiker zeigte sich überzeugt, „dass wir junge Menschen begeistern können, sich hier zu bewerben“. Doch daran bestehen erhebliche Zweifel.

 

Die beziehen sich unter anderem auf die Bezahlung der rund 100 IT-Experten, die sich im Auftrag von Verteidigungs- und Innenministerium mit den neuesten Entwicklungen, künftigen Trends und versteckten Gefahren im Cyberraum beschäftigen sollen. Denn anders als von den beiden Ministerien gewünscht, ist eine Vergütung nach dem Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes vorgesehen. In der freien Wirtschaft können Computer- und Internetspezialisten jedoch ein Vielfaches verdienen. Angesichts der großen Nachfrage nach IT-Fachleuten sagt der FDP-Forschungspolitiker Thomas Sattelberger den „praxisfernen Bürokraten“ in den Ministerien daher voraus, bei der Rekrutierung „ihr blaues Wunder“ zu erleben.

Bundesrechnungshof nimmt die Pläne auseinander

Ausnahmen von dem „Besserstellungsverbot“ gebe es bislang nur für den Geschäftsführer der neuen Cyberagentur sowie sechs weitere Führungsposten, antwortete Tauber auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion, die unserer Zeitung vorliegt. Daneben seien Sonderregelungen für „einzelne Mitarbeiter“ möglich. Die müssen möglicherweise mit dem Finanzministerium in jedem Einzelfall mühsam einzeln verhandelt werden.

Auch der Bundesrechnungshof äußert sich in einem Bericht kritisch. Die Rechnungsprüfer sehen in dem Wunsch nach bestens qualifizierten Spezialisten einerseits und der Bezahlung nach Tarifen des Öffentlichen Dienstes andererseits einen „Zielkonflikt“. Die Ministerien hätten zum Personal und zur Finanzierung Annahmen getroffen „die in wesentlichen Punkten nicht mehr haltbar sind“, heißt in der internen Stellungnahme, die das Portal Netzpolitik.org im Wortlaut veröffentlichte. Schließlich seien die Ministerien von Kosten in Höhe von 365 Millionen Euro bis 2022 ausgegangen – die jetzigen Finanzierungspläne sehen demnach für den Zeitraum aber nur rund 222 Millionen Euro vor.

Die Grünen sprechen von „Kompetenzwirrwarr“

„Die neue Agentur für Innovation in der Cybersicherheit erscheint nicht ausreichend durchdacht und auch nicht solide finanziert“, urteilte daher der FDP-Verteidigungspolitiker Alexander Müller. Ihre Gründung wirke wie eine PR-Maßnahme der Bundesregierung, die teuer für den Steuerzahler werde. Noch hat der Haushaltsausschuss des Bundestags dem Aufbau der Cyberagentur nicht zugestimmt. Der geplante Beschluss schaffte es wegen der Unklarheiten zur Finanzierung nicht mehr auf die Tagesordnung der letzten Ausschusssitzung vor der Sommerpause.

Es gibt zudem Unstimmigkeiten in der Koalition. Die von Unionsministern geführten Ressorts für Inneres und Verteidigung wollen die Cyberagentur nicht als Behörde, sondern als GmbH gründen. Das sei „inakzeptabel“, heißt es aus der SPD-Fraktion. Die Sozialdemokraten befürchten, dass die Agentur so der parlamentarischen Kontrolle entzogen wird. „Da arbeiten wir nach“, kündigte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums an. Die Vizechefin der Grünen-Fraktion, Agnieszka Brugger, kritisiert die „vielen offenen Fragen“ zur Finanzierung, der Rechtsform, der Personalgewinnung und auch zum Auftrag der Agentur. „Statt endlich für mehr echte IT-Sicherheit zu sorgen, verliert sich die Bundesregierung im völligen Kompetenzwirrwarr“, sagte Brugger. „Die Bundesregierung sollte ihre Ressourcen darauf konzentrieren, digitale Infrastrukturen zu härten und besser zu schützen.“