Vor 50 Jahren hat Ozzy Osbourne mit Black Sabbath den Heavy Metal erfunden. Seine neue Platte „Ordinary Man“ ist bewährt laut, klingt dennoch wie ein Abschied auf der Ehrenrunde.
Stuttgart - Gute Nachrichten gab es kaum in den vergangenen Monaten: „Ich hatte 2019 das beschissenste Jahr meines Lebens“, sagt Ozzy Osbourne. Und natürlich flucht er dabei. Denn Osbourne flucht ständig. Im vergangenen Jahr bremsten diverse Kollateralschäden seines selbstzerstörerischen Lebensstils und eine Nacken-Operation den 71-jährigen und seine Tourpläne aus.
Das neue Jahr begann immerhin mit dem Dementi der Meldung, der frühere Black Sabbath-Sänger läge auf dem Sterbebett, arg viel besser wurde es trotzdem nicht: Im US-Fernsehen verkündeten Ozzy und seine Frau und Managerin Sharon Osbourne, dass er an einer Form der Parkinson-Krankheit leide – mittlerweile ist bekannt: seit 2003. Tremor, Nervenschmerzen, gelegentlich taube Arme und Beine – nun sagte Osbourne auch seine „No More Tours 2“-Tour durch Nordamerika ab. Er wolle aus Respekt vor seinen Fans nicht das Risiko eingehen, Konzerte kurzfristig absagen zu müssen. Lieber erst mal einigermaßen fit werden mithilfe eines Spezialisten in der Schweiz.
Rückwärtsgewandt, aber nicht aus Arroganz
Ausgerechnet jetzt veröffentlicht Osbourne „Ordinary Man“, seine erste Platte als Solokünstler seit über zehn Jahren. Und Osbourne klingt, wie man sich Osbourne 2020 vorstellen würde: einigermaßen rückwärtsgewandt, aber nicht aus altkluger Arroganz, nein, einfach nur, weil’s zu Ozzy passt und weil Heavy Metal immer ein bisschen nach hinten schaut. Da wird selbst vor einem Salto noch kurz in den Rückspiegel geschaut.
Seine Band, sagenhaft besetzt: Duff McKagan (Bass) und Slash (Gitarre) von Guns’n’Roses, Tom Morello (Gitarre, Rage Against The Machine), am Schlagzeug Chad Smith (Red Hot Chili Peppers) und das alles unter der Obhut des derzeitig hippen Produzenten und Gitarristen Andrew Watt. Der arbeitet unter anderem für Popstars wie Cardi B, Justin Bieber, Rita Ora und Post Malone. In „Today Is The End“ und „Scary Little Green Men“ überrascht Osbourne gar mit den vielleicht besten Refrains, die ihm seit langer Zeit über die Lippen gekommen sind, nur um den poppigen Zuckerguss gleich wieder mit schier zu Tode komprimiertem Kraftrock zu erschlagen.
Da verrutscht nichts, außer Ozzy selbst. In gefühlt jeder dritten Zeile kokettiert Osbourne mit dem Ende, dem Abschied und man hofft insgeheim, dass er vom Ruhestand und eben nicht vom Tod redet – oder dass vielleicht doch alles Teil eines marketingschlauen Plans seiner findigen Ehefrau und Managerin ist. Im März soll auch die Doku „Die neun Leben des Ozzy Osbourne“ in den USA ausgestrahlt werden. Möge er noch einige in der Hinterhand haben.
Vor 50 Jahren wurde der Heavy Metal erfunden
Als die Welt erstmals von Ozzy Osbourne aus Birmingham hört, war das kurz vor dem Valentinstag, Freitag der 13. Februar 1970. Das passte ganz gut, haftet dem Debüt von Black Sabbath auch heute noch eine gruselige Note an. Diesen furchteinflößenden, für damalige Hörgewohnheiten auch dissonanten Ton, wollten fortan auch andere kultivieren. Heute weiß man: Freitag, der 13. Februar 1970 ist die Geburtsstunde des Heavy Metal.
An vieles, das seitdem geschehen ist, kann sich Osbourne allenfalls bruchstückhaft erinnern: Mit dem ersten Erfolg kommt das Kokain, die anderen Drogen und der Suff. 1979 wird er einigermaßen handlungsunfähig als Sänger von Black Sabbath gefeuert. Als komplettes Wrack startet er seinen zweiten Frühling als Solokünstler. Der Rest ist Metal-Folklore: Der „Madman“, der tatsächlich ein bisschen verrückt ist, beißt einer Taube (absichtlich), einer Fledermaus (versehentlich) den Kopf ab, pinkelt betrunken an das US-Kriegsdenkmal Alamo und wacht eines Morgens in einer Zelle auf, weil er im Vollsuff versucht hatte, seine Ehefrau und Managerin Sharon Osbourne zu töten. Ausgerechnet die Frau, die ihm mehrmals schon das Leben und die Karriere rettete, die an ihn glaubte, als er von allen als Rock’n’Roll-Kollateralschaden abgehakt war. Sie verzeiht ihm. Mit der MTV-Doku-Soap „Die Osbournes“ macht sie ihn 2002 erst zur Witzfigur, dann doch zum Star einer neuen Generation. Das hat Methode: Ob Glam-, Thrash- oder Nu-Metal – an den wegweisenden Strömungen des Genres war Osbourne immer persönlich beteiligt, bot später prägenden Bands wie Mötley Crüe, Metallica, Pantera oder Slipknot die große Bühne, als die noch im Untergrund wurstelten – und profitierte freilich auch selbst davon. Jetzt singt Ozzy gemeinsam mit R’n’B-Star Post Malone – und abermals hört eine komplett neue Generation erstmals vom „Madman“.
Bloß nicht als gewöhnlicher Mann sterben
Trotz aller Klasse ist es zumindest musikalisch ein bisschen egal, was Osbourne nach 50 Jahren Heavy Metal anzubieten hat. Er ist da, das reicht erst mal und er dreht auf „Ordinary Man“ eine mitunter beeindruckende Ehrenrunde. „Ich möchte nicht als gewöhnlicher Mensch sterben“, singen Osbourne und sein Stargast Elton John im in Zucker gegossenen Titelstück. Durchatmen. Diese eine Gefahr haben beide bereits vor Jahrzehnten gebannt. Da wird nichts mehr verrutschen.