Konfetti ist in Stuttgart verboten worden, aber ein neues Rezept gegen die Wildpinkler haben die Hüter der öffentlichen Ordnung nicht gefunden. Dabei gäbe es Alternativen, meint Lokalchef Holger Gayer.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Welch beklagenswertes Phänomen die Beseitigung menschlicher Hinterlassenschaften ist, hat schon der Bachscheißer gezeigt. Ein Gitarrenlehrer aus Metzingen hat den etwas derben Begriff geprägt; er beschrieb damit ein Büchlein, mit dessen Hilfe seine Schüler Ende der 1970er Jahre Weihnachtslieder lernen sollten. Den Umschlag zierte ein historisierendes Wimmelbild. Eine verschneite mittelalterliche Stadt war darauf zu sehen, die Menschen feierten augenscheinlich das Christfest, einer aber saß einsam am Bach, um sich zu erleichtern. Als wär’s in Stuttgart im Winter 2017/18.

 

An der Unterführung zur Stadtbahnhaltestelle Rathaus hat die Betreiberin des Clubs White Noise einen Akt von verbaler Notwehr begangen. „Wer hier pisst, stirbt“, steht auf dem Schild, das sie aufgestellt hat, weil ständig jemand gegen ihren Laden strullt, ohne dass irgendein Büttel eine Idee hätte, wie das Treiben zu stoppen wäre.

Die Hüter der Ordnung hatten Besseres zu tun

Aber die Hüter der öffentlichen Ordnung hatten diese Woche auch Besseres zu tun. Sie mussten, in diesem Fall im Namen des Landesfürsten, den Gebrauch von Konfetti beim Faschingsumzug verbieten, weil die Schnipsel das Pflaster vor dem Neuen Schloss ruinieren könnten. Nicht weil die bunten Punkte zu schwer wären. Aber sie setzen sich laut der Expertise der hiesigen Kehrmacht so bösartig in den Fugen fest, dass man einen Handfeger bräuchte, um sie wieder rauszuholen. Die Narren haben daraufhin die Entwicklung einer Konfetti-Wurfangel mit Rückholfunktion angekündigt. Bis Fasching 2067 wird das Patent bestimmt behördlich zugelassen sein.

Die Lösung des Wildpinkelproblems wird länger dauern. Man muss bedenken, dass sich der Gemeinderat erst seit 35 Jahren mit dem Problem befasst. Nach der Erhöhung des Entgelts für die Benutzung öffentlicher Toiletten von 20 auf 50 Pfennig im Jahr 1983 haben die Einnahmen bis 1986 um 30 Prozent ab- und der Anteil wildpinkelnder Männer zugenommen. Die logische Konsequenz: Man schloss weitere Klohäuschen, was einen Gemüsehändler 1994 zu dem Vorschlag verleitete, an jeder bedrohten Bedürfnisanstalt einen Kiosk aufzustellen. Dessen Betreiber müsste sich nur verpflichten, auch die Kloeinheit zu betreuen. Doch daraus ist nichts geworden.

Das Ökopissoir hat eine Öffnung zum Reinpinkeln

Nun könnten wir nach Frankreich schauen, wo der Industriedesigner Victor Massip das Uritrottoir erfunden hat. Dabei handelt es sich um ein bepflanztes Ökopissoir mit einer kleinen Öffnung zum Reinpinkeln. Das Teil kostet 3000 Euro pro Stück und ist im öffentlichen Leben von Paris und Nantes bereits in Betrieb. Alternativ böte sich der Einsatz der Pinkelschutzfarbe Ultra Ever Dry an. Der Lack soll derart flüssigkeitsabweisend sein, dass der Wildpinkler wegen Zurückspritzens eine nasse Hose bekäme. In St. Pauli sei die Farbe schon im Einsatz. Und wenn auch das nichts hilft, könnte man den Nesenbach entdolen. Das wäre dann der historische Rückgriff auf das Modell Bachscheißer.