Der Kleiderschrank quillt über, in der Vitrine verstauben die alten Sammeltassen von der Oma und im Keller herrscht sowieso das Chaos. Warum fällt uns das Ausmisten so schwer? Die Stuttgarterin Angela Ludwig ist Ordnungscoach, nennt sich selbst „Frau Ordnung“ und klärt auf.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Plieningen - Der Kleiderschrank quillt über, in der Vitrine verstauben die alten Sammeltassen von der Oma, und im Keller herrscht sowieso das Chaos. Warum fällt uns das Ausmisten so schwer? „Frau Ordnung“ hat Antworten darauf.

 

Frau Ludwig, Sie nennen sich selbst „Frau Ordnung“. Ist es bei Ihnen zu Hause immer aufgeräumt?

Ja klar. Es ist ganz einfach: Alles steht an seinem Platz. Aber ich besitze auch nur Dinge, mit denen ich mich gern umgebe. Und ich habe zwei Kinder, die sieben und elf Jahre alt sind. Auch die haben mittlerweile gelernt, dass sie in 15 Minuten Ordnung schaffen können. Allerdings haben auch meine Kinder nur Dinge, die sie wirklich brauchen und wollen.

Waren Sie schon immer so pragmatisch und ordentlich, oder hatten Sie ein Schlüsselerlebnis, das sie zur Ordnung gerufen hat?

Ich selbst war schon immer ordnungsliebend. Meine Eltern haben mal gesagt: „Bei dir hat es ein Gen verbogen.“ Studiert habe ich Bibliothekswissenschaften. Da braucht man strukturiertes Denken. Später kam ich mit den Prinzipien des Lean Management in Berührung. Dabei geht es um ein schlankes Management für eine effiziente Wertschöpfung in Unternehmen. Das sind die Methoden und Werkzeuge, die man auch bei sich zu Hause anwenden kann.

Kann jeder Ordnung lernen?

Ja! Man muss nur verstehen, dass man Dinge, die man nicht mag und die man nicht braucht, auch nicht behalten muss. Viele Menschen haben viele Dinge nur aus dem Grund bei sich zu Hause, weil sie diese mal geerbt oder geschenkt bekommen haben. Solche Sachen sollte ich aber nur behalten, wenn ich sie wirklich mag. Wer Ordnung haben will, muss außerdem Nein sagen können. Stellen Sie sich einen Messebesuch vor. Da gehen Sie dann mit 15 Stofftaschen und zig Kugelschreibern raus, die Sie wahrscheinlich gar nicht brauchen. Da ist es besser, gleich zu sagen: „Nein danke, ich habe schon genug.“

Warum fällt Ausmisten so schwer?

Weil wir es nicht gelernt haben. Vor zwei Generationen hatten die Leute noch gar nicht so viel. Da war der Krieg noch nicht so lange vorbei und Ausmisten kein Thema. Gelehrt wurde, alles zu sammeln und aufzuheben nach dem Motto: „Man weiß ja nie, wozu man das noch mal braucht.“

Was mache ich denn mit den Dingen, die ich zu Hause habe und die ich aber gar nicht zu Hause haben will?

Ausmisten heißt nicht, dass man alles in den Müll werfen muss. Vielmehr gilt es, zu erkennen, dass Dinge, die ich nicht haben will, einen anderen Menschen glücklich machen können. Man sollte diese Sachen weitergeben, verschenken oder verkaufen. Oft reicht es, sie einfach vor die Tür zu stellen. Fast immer findet sich so ein neuer Besitzer. Zudem gibt es karitative Einrichtungen und Diakonieläden, die gut erhaltene Sachen annehmen. Im Internet kann man diverse Verschenk- und Tauschplattformen nutzen. Wirklich wertvolle Dinge bringt man zum Auktionshaus, und Kaputtes kommt auf den Müll oder auf den Wertstoffhof.

Wie helfen Sie den Menschen denn, Ordnung zu halten?

Man kann mich buchen. Dann fahre ich zu meinen Kunden nach Hause. Sie glauben gar nicht, wie hilfreich es ist, wenn eine externe Person beim Ausmisten hilft, die keine Erinnerungen und keine Emotionen mit den Dingen verbindet. Der neutrale Blick eines Außenstehenden ist wichtig. Zudem halte ich pro Halbjahr etwa zehn Vorträge, die immer gut besucht sind.