Die Rottweiler Organistin Lisa Hummel eröffnete den Orgelfrühling in der Böblinger Kirche St. Maria. Dafür hatte sie Kompositionen aus vier Jahrhunderten zusammengestellt.
In der Barockzeit hätte man die Konzertzusammenstellung, mit der Lisa Hummel am Sonntag den Orgelfrühling in der Böblinger Kirche St. Maria eröffnete, auch als Pasticcio bezeichnet, also als bunte Mischung. Erfrischend war vor allem, dass sie Kompositionen aus vier Jahrhunderten zusammengestellt hatte. Viele von ihnen zählen nicht zum üblichen Repertoire.
Bekanntschaft machte man so auch mit einem Komponisten der Region, Johann Ulrich Steigleder (geboren 1593), den Hubertus Kless vom Förderverein näher vorstellte. Die Interpretation der letzten Variation aus seinem Tabulaturbuch war eine klingende Aufforderung, sich mit diesem Meister des Frühbarocks mehr zu beschäftigen.
Lisa Hummel stellte ihr Können als technisch virtuose Organistin unter Beweis
Ernst Peppings Toccata war der Sprung ins 20. Jahrhundert. Hier überzeugte die junge Musikerin durch die ausgefeilte Registrierung, sodass die häufig dreistimmigen Kompositionsverläufe außerordentlich plastisch nachzuvollziehen waren. Sie war extra einen Tag vorher angereist, um sich mit den Registern der Orgel vertraut zu machen. Nach Bachs Fantasie über „Komm Heiliger Geist“ war dann ein großartiger Pausenabschluss die „Deux danses“ von Jehan Alain, der tragischerweise 1940, zwei Tage vor dem Waffenstillstand von Compiègne, fiel. Die von Debussy und Messiaen befruchtete Komposition von 1932 spielt humorvoll mit Tanzrhythmen und fernöstlichen Einflüssen, die von der Musikerin akzentuiert und kontrastreich ausgearbeitet wurden.
Von Bachs Vorgänger Johann Kuhnau erklangen drei Sätze aus den biblischen Historien, die in der Originalversion erzählenden Text und den Text kommentierende Musik miteinander kombinieren. Ebenso farbig und humorvoll waren vier der 30 Spielstücke von Hugo Distler, der sich aufgrund vielfältiger Probleme 1942 das Leben nahm. Lisa Hummel erwies sich als technisch virtuose Organistin, die mit viel Fantasie die Registrierung der verschiedenen Stücke organisiert hatte, sodass dieses Konzert ungewöhnlich vielfarbige Klänge enthielt.
Lisa Hummel forscht nach älterer und neuerer Musik
Zum Schluss erklangen dann zwei bedeutende Passacaglien in c-Moll, zunächst das Werk von Felix Mendelssohn-Bartholdy und dann die legendäre Passacaglia von Bach. Er hatte sie nicht nur, aber auch komponiert, um seine großartige Virtuosität demonstrieren zu können. Kurz vorher war er bei Dietrich Buxtehude in Lübeck gewesen, dem damals führenden Orgellehrer seiner Zeit. Das markante Thema stammt von dem französischen Komponisten Raisin, was beweist, dass der junge Bach gerne auch Anregungen anderer Kollegen aufnahm. Speziell bei Bachs Komposition sind beide Hände und Füße enorm gefordert und in dieser Interpretation wirkte das große Werk erstaunlich leichtfüßig und leuchtend durchsichtig. Der Applaus der Besucher war so begeistert, dass sie sich noch zu einer Zugabe entschloss: Choralvorspiel von Johannes Brahms „O Welt ich muss dich lassen“.
„Mein künstlerisches Credo ist, dass ich immer auf der Suche nach Neuem bin. So forsche ich immer wieder nach älterer und neuerer Musik, die noch nicht so oft auf den Konzertprogrammen gestanden hat“, sagte die Organistin und Dirigentin Lisa Hummel. „So bin ich auch dabei, möglichst viele verschiedene Konzertformen zu realisieren. Bei einem Karfreitagskonzert habe ich auch mit Sprechchören gearbeitet. Oder wir integrieren Kinderchöre und szenische Darstellungen in Konzerte. Außerdem bin ich auch immer wieder mal auf der Suche nach neuartigen Projekt-Musikensembles.“