Ein Organspendeausweis erleichtert die Arbeit der Ärzte im Krankenhaus: Melanie Suda und Harald Pek erklären, wie die Spende abläuft. Foto: /Stefanie Schlecht
Die beiden Oberärzte und Transplantationsbeauftragten Melanie Suda und Harald Pek kümmern sich um Organentnahmen im Kreis Böblingen und klären auf, wie viele Organspender es am Klinikstandort pro Jahr tatsächlich gibt.
Melissa Schaich
02.08.2024 - 11:57 Uhr
In Deutschland warten zur Zeit mehr als 8300 Menschen auf ein Spenderorgan. In rund 1200 Entnahmekrankenhäusern prüfen Ärzte, ob Patienten für eine Organspende in Frage kommen. Auch die Krankenhäuser in Böblingen und Sindelfingen sind Entnahmekliniken. Die eigentliche Transplantation wird dann in einem spezialisierten Transplantationszentrum durchgeführt – das nächstliegende befindet sich in Tübingen. Im Klinikum Böblingen-Sindelfingen sind die beiden Oberärzte Dr. Melanie Suda und Dr. Harald Pek Transplantationsbeauftragte.
Was ist die Aufgabe von Transplantationsbeauftragten? Wenn es zu einer Organspende kommt, sind die beiden Oberärzte Melanie Suda und Harald Pek im Klinikverbund Südwest das Bindeglied zwischen den Klinikstandorten Sindelfingen-Böblingen und der Koordinierungsstelle für Transplantationen, der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO). Das Transplantationsgesetz verpflichtet die Entnahmekrankenhäuser zur Kooperation mit der DSO und den Transplantationszentren. Die Aufgabe der Beauftragten sei es, ihre Teams im Klinikverbund zu schulen und Patienten, die als Organspender in Frage kommen könnten, im Auge zu behalten, erklärt Harald Pek, der Leitende Oberarzt der Kliniken Sindelfingen. Dass ein Patient für eine Spende geeignet ist, komme sehr selten vor. „In einem Jahr haben wir rund zehn potenzielle Spender“, sagt Harald Pek. Doch tatsächlich realisiert werden im Schnitt nur ein bis zwei Entnahmen pro Jahr.
Wie läuft eine Organentnahme ab?
Dieer kleine Spenderausweis hilft Leben retten und den Medizinern bei der wichtigen Arbeit. Foto: dpa
Das Thema Transplantation löst bei vielen Menschen Ängste und Befürchtungen aus. „Wir sind nicht darauf aus, Menschen zur Organspende zu überreden“, erklärt Harald Pek. Wer sich aktiv gegen eine Organspende entscheide, solle sich nicht rechtfertigen müssen, sagt er. Schreckensvorstellungen allerdings können die Oberärzte aus der Welt schaffen: Ob ein Patient für eine Organspende in Frage komme, müsse nicht Knall auf Fall entschieden werden, sondern sei ein Prozess über drei bis fünf Tage. Davor würden Gespräche mit Angehörigen geführt und die DSO sei ebenfalls vor Ort, erklärt Melanie Suda, die seit 2019 Transplantationsbeauftragte ist. Zuerst müsse der Komplettausfall des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms des Patienten festgestellt werden. Jeder Schritt werde minutiös protokolliert, Tests würden mehrfach von verschiedenen Kollegen durchgeführt, um andere Ursachen für den Zustand des Patienten auszuschließen, erklärt sie. „Jeder Mensch, der bei uns landet, wird erst einmal so behandelt, als könnte man ihn heilen“, sagt die Oberärztin. Auf die Frage, wer das Organ bekommt, haben die Transplantationsbeauftragten keinen Einfluss mehr. Die Zuteilung der Organe läuft über die Stiftung Eurotransplant. Der Service-Organisation gehören insgesamt acht europäische Länder an, darunter auch Deutschland.
Was passiert, wenn nicht klar ist, ob ein Patient Organe spenden will?
„Der Patientenwille steht an erster Stelle“, erklärt Melanie Suda. Grenzfälle, in denen der Wille des Patienten nicht klar sei, gebe es extrem selten, fügt Harald Pek hinzu. Aus Erfahrung weiß er jedoch: Bei geringsten Zweifeln oder widersprüchlichen Angaben würden am Ende keine Organentnahmen vorgenommen. In den Gesprächen, die die Oberärzte mit Angehörigen führen, stellen sie allerdings fest, dass die meisten Menschen positiv auf das Thema Organspende reagieren. „Für viele ist es wichtig, über den Tod hinaus etwas Gutes zu tun“, sagt Harald Pek.
Organspendeausweis und -register
Ein Organspendeausweis, den jeder Mensch in Form einer Art Scheckkarte bei sich tragen kann, erleichtert den Ärzten die Arbeit, denn auf diese Weise ist der Patientenwille klar formuliert; inklusive Ausnahmen wie etwa, dass man gewisse Teile seines Körpers nicht freigibt. „Gespräche mit den Angehörigen führen wir natürlich trotzdem“, stellt Harald Pek fest. Auch ein Eintrag in das neue Organspende-Register hilft den Ärzten im Krankenhaus weiter. In dem elektronischen Register kann die Entscheidung für oder gegen eine Organspende auf freiwilliger Basis online eingetragen werden. Auf dieses Register können die Krankenhäuser im Falle eines Falles dann zugreifen.
Zahlen Am 1. Januar 2024 standen laut der Stiftung Eurotransplant 8394 Patienten auf der Warteliste für eine Organspende in Deutschland. Im Jahr 2023 wurden 3247 Organtransplantationen von verstorbenen Spendern durchgeführt.
Eurotransplant Die Stiftung kümmert sich europaweit um die Verteilung von Organen. Mitglieder sind Belgien, Deutschland, Kroatien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Ungarn und Slowenien. Die Organisation führt eine zentrale Warteliste, auf der momentan 14 000 Menschen stehen. Eurotransplant vermittelt pro Jahr rund 7000 Organe. Durch den größeren Pool an Menschen haben Patienten mit seltenen Blutgruppen oder Gewebetypen eine höhere Chance auf eine passende Spende.
Spende In Deutschland können aktuell nur Menschen Organe spenden, die zu Lebzeiten ausdrücklich ihre Zustimmung abgegeben haben oder deren Angehörigen nach dem Tod zustimmen.