Viele warten auf Hilfe. Das lässt sich ändern. Durch Steinmeier ist das Thema Organspende wieder ins gesellschaftliche Bewusstsein gerückt.

Berlin - Frank-Walter Steinmeier und Elke Büdenbender sind am Dienstag offenbar operiert worden. Das ganze Land begleitet ihre Nierenverpflanzung mit herzlicher Anteilnahme und guten Wünschen für eine rasche Genesung. Wie schwer dem SPD-Fraktionschef die Entscheidung gefallen sein mag, seiner Frau eine Niere zu spenden und diesen Schritt auch noch öffentlich zu machen, wissen wir nicht. Wir dürfen aber vermuten, dass er als liebender Mensch gehandelt hat und sicher nicht im Kalkül, der Transplantationsmedizin einen politischen Schub zu verleihen.

Und doch hat Steinmeier das Thema mehr, als es alle offiziellen Appelle zuletzt vermocht haben, wieder ins gesellschaftliche Bewusstsein gerückt. Das belegt zum einen, dass ein Mensch – ein prominenter zumal – , der mit gutem Beispiel vorangeht, viel bewirken kann. Diese Erkenntnis lässt sich im Übrigen auf viele Bereiche des Lebens übertragen. Plötzlich reden die Leute wieder über ihre Befindlichkeit bei diesem Thema. Da bekennt ein Kollege, dass er schon lange einen Organspenderausweis mit sich herumträgt, ihn allerdings wegen eines diffusen Unbehagens noch immer nicht ausgefüllt hat. Und eine Kollegin räumt ein, dass sie zwar mit ihrem Partner fest ausgemacht hat, dass er im Falle eines Falles einer Organentnahme zustimmen solle. Doch ein Spenderausweis steckt nicht in ihrer Handtasche. Dabei weiß sie, dass diese letzte Entscheidung schnell getroffen werden muss, soll sie Erfolg haben und einem Schwerkranken helfen.

Angst ist weitverbreitet


Natürlich gibt es auch Menschen, die sich prinzipiell dagegen entscheiden, als Organspender zur Verfügung zu stehen. Das ist zu respektieren. Dahinter stecken sehr persönliche Gründe, religiöse Motive oder die Sorge, dass seelenlosen Medizinern die transplantierbaren Organe wichtiger sein könnten als ein nicht handlungsfähiger, bewusstloser oder sterbender Mensch. Es gibt zwar keinen einzigen Fall in Deutschland, in dem Organe missbräuchlich entnommen worden wären, aber es ranken sich eben viele Ängste um das Sterben und den Tod. Auch schiere Nachlässigkeit, das Wegducken vor dem unangenehmen Thema ist deshalb durchaus menschlich.

Die Konsequenz ist freilich, dass in Deutschland 12.000 lebensbedrohlich kranke Menschen vergeblich auf ein Spenderorgan warten; jeden Tag sterben einige von ihnen, weil ihr Körper nach Jahren des vergeblichen Hoffens zu schwach geworden ist; weil Ersatztherapien – etwa die Blutwäsche bei Nierenversagen – an die Grenze dessen gelangt sind, was man medizinisch tun und als Patient ertragen kann; oder weil es gar keine längerfristig wirkende Alternativtherapie gibt. Für all diese Leidenden könnte ein klein bisschen mehr Mut, ein Quäntchen mehr Disziplin und ein Schuss optimistischer Solidaritätsbekundung lebensrettend sein. Das klingt moralinsauer, gewiss. Doch wenn es ernst und konkret wird, wenn man selber oder ein geliebter Mensch Hilfe benötigt, ist es oft zu spät.

Auch das Ehepaar Steinmeier hat ja zunächst vergeblich auf eine Fremdtransplantation gehofft, bevor es angesichts des sich verschlechternden Gesundheitszustandes von Elke Büdenbender nach dem letzten Strohhalm der Lebendspende gegriffen hat. Dass die Transplantationsmedizin inzwischen so weit fortgeschritten ist, dass sie die Abstoßungsreaktionen sogar dann beherrschen kann, wenn nicht einmal die Blutgruppe von Spender und Empfänger identisch ist, ist ein Segen. Vor ein paar Jahren wäre das noch undenkbar gewesen. Doch man darf sich nichts vormachen: es sind gerade mal rund 600 Patienten, denen dank eines nahen Familienangehörigen oder Partners geholfen werden kann. Tausende andere haben weniger Glück. Sie hätten dieses Glück aber nicht weniger verdient. Übrigens: einen Spenderausweis kann man bei der Deutschen Stiftung für Organtransplantation herunterladen.