Ist Schach nur etwas für Nerds – oder liegt der Denksport im Trend? Beim Fest auf dem Arsenalplatz in Ludwigsburg boten sich erstaunliche Einblicke.

Ludwigsburg: Oliver von Schaewen (ole)

Als Magnus Carlsen im Alter von 22 Jahren Schach-Weltmeister wurde, löste das in Norwegen einen Boom aus. Das war im Jahr 2013. Was wäre, wenn einmal ein Deutscher den Thron erklimmen würde? Das Schach-Spielfest auf dem Arsenalplatz in Ludwigsburg warb am Samstag mit ganz anderen Mitteln für den Sport auf 64 Feldern.

 

Schach ist nur etwas für alte Menschen, es ist männerlastig, eher was für Nerds und vor allem: kein richtiger Sport – Vorurteile gegen Schach gibt es einige. Aber: Der Altersdurchschnitt der Gäste in Ludwigsburg an diesem Samstagmittag widerlegt die Klischees. Ganz unterschiedliche Menschen tummeln sich auf dem Arsenalplatz: bei strahlendem Sonnenschein und einem vielfältigen Angebot, das die Mitglieder der Schachgemeinschaft Ludwigsburg auf die Beine gestellt haben.

Konzentriert nimmt der Simultankampf an zwölf Brettern seinen Lauf. Foto: Simon Granville

Konzentriert schreitet Vesna Misanovic von Brett zu Brett. Die bosnische Großmeisterin nimmt es mit zwölf Spielern gleichzeitig auf. Simultan – so lautet der Fachbegriff dafür. Die meisten Gegner sind jung. Misanovic, die selbst Schachbücher für Kinder schreibt, zieht schnell. Am Ende gewinnt sie – bis auf eine – alle ihre Partien. Für die Teilnehmer dürfte es trotzdem ein unvergessliches Erlebnis gewesen sein.

Schach fördert die Fähigkeit zur Konzentration

Erheblich größer sind die Figuren an einem Outdoor-Spielfeld, an dem sich Snjezana Donat mit ihrem Nachwuchs betätigt. „Schach hat mich immer begleitet“, sagt die 39-Jährige, die durch den Vater den Weg zum Schachsport in Bosnien fand. „Ich habe durch die Liebe zum Schach gelernt, mich überhaupt länger auf eine Sache zu fokussieren“, sagt die promovierte Betriebswirtin, die mit der Großmeisterin Misanovic befreundet ist.

Der Nachwuchs lernt die Figuren auf einem Schachgroßfeld kennen. Foto: Simon Granville

Fleißig gewerkelt wird derweil am Basteltisch mit alten Weinkorken, Holzscheiben und nützlichem Werkzeug. Stolz zeigt Luis (7) sein kleines Holzauto. Papa und Mama halfen mit: So darf sich auch Schwesterchen Mona (4) über eine Kerze freuen. Offenbar war Luis die Triebfeder, den Stadtbummel mit dem Schach- und Spielfest zu krönen. „Luis hat in der Schulkindbetreuung Schach gelernt – inzwischen spielen wir es alle: Er hat es uns beigebracht“, erzählt die Mutter.

Die Veranstalter haben die Kinder besonders im Blick

Das königliche Spiel soll Kreise ziehen und Menschen verbinden. Dieses Ziel verfolgt der Organisator Michael Steinwand, der als Kinderbuchautor besonders den Nachwuchs im Blick hat. Das merkt man auch an diesem Tag: Steinwand leitet einen Jungen an, der mit einem roten Springer so viele Rösselsprünge wie möglich auf einem aufgemalten Schachbrett absolvieren soll. „Die Gewinner mit den meisten Sprüngen erhalten Preise.“

Selbst gebastelte Schachfiguren – auch das gab es zu sehen. Foto: Simon Granville

Wenig später steht Steinwand mit seiner Mutter Elfriede Steinwand-Hebenstreit und dem Schachgemeinschaft-Vorsitzenden Branko Vrabac zusammen. Sie hatten das Konzept miteinander ausgeklügelt und freuen sich über den regen Zuspruch. „Wir hätten auch 20 Tische mit Schachbrettern für das Simultanspiel aufstellen können“, sagt Vrabac, der an diesem Tag ein gefragter Ansprechpartner ist.

Die Stadt Ludwigsburg habe einen kleinen Zuschuss für das Bastelmaterial gegeben und begrüße die Belebung des Arsenalplatzes, erzählt Matthias Steinwand. Sein Verein habe – auch ohne einen deutschen Schachweltmeister – einen ganz eigenen Boom erlebt, berichtet indes Branko Vrabac: Nach einer Aktionsreihe unter dem Titel „Faszination Schach“ im Marstallcenter mit den Großmeistern Sebastian Siebrecht und Zigurds Lanka vor etwa sechs Jahren sei die Mitgliederzahl auf etwa 100 gestiegen. „Wir hatten vor 20 Jahren nur zwei Mannschaften – jetzt sind es acht.“

An einem der Bretter auf dem Boden kauern die beiden 18-Jährigen Sebastian Blachel und Luca Jajcinovic. Beide sind sich einig: Es mache viel mehr Spaß, Schach in Präsenz mit Freunden zu spielen als nur im Internet, wie viele es während der Corona-Pandemie für sich entdeckten.