Der Biologe Rainer Ertel hat ein Bestimmungsbuch für Laien geschrieben. Damit will er andere für seine Passion – das Beobachten von Vögeln – begeistern.

Remseck - Wenn es sein muss, dann setzt sich Rainer Ertel sofort in den Flieger. Um einen Sprosserrotschwanz zu sehen, ist er einmal Hals über Kopf nach Kuwait geflogen, auch Fuerteventura hat er nur besucht, um einen Vogel beobachten zu können, „den ich immer verpasst habe“. Manch einer würde behaupten, Ertel ist selbst ein schräger Vogel. „Viele sagen, du spinnst ja, dass du einem Vogel hinterher saust“, sagt er. Aber für ihn ist das Beobachten der gefiederten Tiere seit mehr als 50 Jahren eine Leidenschaft. Rainer Ertel zuckt mit den Schultern: „Es gibt auch Fußballfans, die quer durch Europa fahren, nur um ein Spiel zu sehen.“ Den studierten Biologen treiben die Vögel um.

 

Ertel kennt Vogelkundler auf der ganzen Welt

Früher, als er als Jugendlicher stundenlang auf der Lauer lag, um einen Blick auf einen Vogel zu erhaschen, ihn möglichst noch zu fotografieren und das Ereignis akribisch zu dokumentieren, dachte Ertel, er sei der Einzige, „der so verrückt ist“. Inzwischen ist er 68 Jahre alt, kennt zig Ornithologen auf der ganzen Welt – und würde gern noch viel mehr Leute für seine Passion begeistern. Deshalb hat er ein Buch geschrieben, in dem 271 Vogelarten aufgeführt sind, die in seiner Heimatstadt Remseck und im Großraum Stuttgart vorkommen.

Das Besondere daran: das Buch wendet sich – anders als viele andere Vogelbestimmungswerke – explizit an Laien. Denn diese seien in der Ornithologie extrem wichtig. „In kaum einer anderen Wissenschaft können Laien sich so einbringen“, betont Ertel. In Zeiten von Internet und Digitalkamera sei die Bedeutung von Hobbyvogelkundlern sogar noch gestiegen. Denn auch deren Fotos und Beobachtungen würden in wissenschaftliche Auswertungen einfließen. Deshalb habe er auch versucht, sein Buch möglichst preiswert zu halten. Das sei nur gelungen, weil alle Mitwirkenden honorarfrei gearbeitet hätten und die Stadt Remseck einen Zuschuss zahlte, so Ertel.

Naturschutz funktioniert nur, wenn die Bürger es wollen

Für den Remsecker, der einst sechs Jahre lang Bundesgeschäftsführer des Deutschen Bundes für Vogelschutz (heute Nabu) war, ist die Ornithologie ein Eingangstor zum Naturschutz. Denn die Vögel könnten nur überleben, wenn ihr Lebensraum geschützt werde. Allerdings funktioniere Naturschutz in der Demokratie nur, wenn die Bevölkerung das wolle. Und dafür müsse man sorgen. Zum Beispiel mit Bereichen, in denen man Natur erleben könne, wie in den Ludwigsburger Zugwiesen. Dieses neue Naturschutzgebiet sei toll – nur der Aussichtsturm sei aus Ornithologensicht eine Katastrophe: „Ich verstehe einfach nicht, warum man uns nicht vorher fragt, was sinnvoll wäre“, kritisiert Ertel.

Nun hofft der passionierte Ornithologe, dass er mit seinem Buch neue Vogelkundler heranziehen kann. Bis diese so weit sind wie er, wird es allerdings wohl dauern: Ertel kennt die Vogelwelt auf allen Kontinenten und hat in Deutschland lediglich drei von allen gelisteten Vogelarten noch nicht gesehen. Aber so hohe Ansprüche hat er an seine Mitbürger gar nicht: „Ich würde mir wünschen, dass die Artenkenntnis nicht bei der Blaumeise aufhört.“