Verirren sich Vertreter des Partypublikums ins Etagen Café Grell, machen sie umgehend und einigermaßen schockiert wieder kehrt. Denn hier gibt es Ruhe und Frieden statt Remmidemmi.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Ein bisschen Frieden findet man während der tollen Wasen-Tage im Café Grell. Unten wird die Bratwurst im Halben-Meter-Format angepriesen. Steigt man hoch in den ersten Stock, wird man belohnt mit einer faszinierenden Mischung aus Oma-Café und American Diner. Neben diversen Kuchen wird Birne Helene serviert. Der Gast genießt einen Ausblick auf blinkende Fahrgeschäfte und wankende Trachtenträger. Glühbirnen spenden ein warmes Licht, das Piepen der Mikrowelle stellt die einzige Geräuschkulisse dar. Verirren sich Vertreter des Partypublikums die Treppen nach oben, machen sie umgehend und einigermaßen schockiert wieder kehrt.

 

Gilbert Kräupel betreibt das Grell in dritter Generation. Seine Uroma hat das Café 1950 gegründet. Der 36-Jährige ist auf dem Volksfest groß geworden. „Früher haben die Familiengeschäfte mehr verdient. Heute spricht der Wasen hauptsächlich ein Eventpublikum an.“ Wenigstens habe der Wasen gegenüber der Wiesn die besseren Schausteller.

Nur die Bremer feiern mehr

Kräupel gastiert mit seinem mobilen Lokal auf Festen in ganz Deutschland. Neben Bremen werde in Stuttgart mittlerweile am meisten gefeiert. „Auf dem Bremer Freimarkt ist es aber anders als auf dem Cannstatter Wasen. In Bremen hat die Veranstaltung mehr von einem Karneval“, so Kräupel. In Stuttgart müsse man aufpassen, dass es nicht zu sehr in Richtung Dauerhalligalli kippe. Orte wie das Café Grell tragen als Gegenentwurf zum Ballermann einen Teil zur Volksfest-Vielfalt bei.

Text und Foto stammen aus dem Buch „55 ½ Orte, die man auf dem Wasen gesehen haben muss“, von StZ-Titelautor Ingmar Volkmann und Fotograf Martin Stollberg. Das im Emons-Verlag erschienene Buch versammelt Orte abseits der großen Bierzelte und führt den Leser in unbekannte Wasen-Ecken.