Kanzlerin Angela Merkel hat – im Unterschied zu manchem Vorgänger – wenig getan, um ihr Büro gemütlich einzurichten. Sie arbeitet lieber am Konferenztisch als an ihrem gewaltigen Schreibtisch, der sie von Gerhard Schröder übernommen hat.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Das wichtigste Büro in Berlin befindet sich sieben Etagen hoch über der Spree und geschätzte 15 Meter über den Felsenbirnbäumchen, welche die Architekten Axel Schultes und Charlotte Frank auf den Stelen im Ehrenhof des Kanzleramtes pflanzen ließen. Angela Merkel kann ihnen zuschauen, wie die Früchte reifen und sich im Herbst die Blätter verfärben. Dazu bleibt aber noch weniger Zeit als für einen Ausblick von ihrem Schreibtischstuhl über das Parlamentsviertel und die Dächer Berlins hinweg. Den genießt die Kanzlerin allenfalls, wenn Besuch kommt.

 

Merkel amtiert in luftiger Höhe. Von der Aussicht abgesehen, hat ihr Büro jedoch eher den Charme von Nebenräumen eines modernen Kunstmuseums. Das gilt aber bloß für die Architektur. Was die Kunst angeht, so ist Merkels Geschmack, sofern er sich an der Auswahl der Bilder in ihrem Büro ablesen lässt, wenig avantgardistisch, vielmehr sehr konventionell. Über der Lehne ihres Chefsessels am monströsen Kanzlerinnenschreibtisch hängt ein Adenauer-Porträt von Oskar Kokoschka. Über das Gemälde sagte die Kanzlerin einmal, dass es sie „jeden Tag noch einmal erinnern lässt an die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, die wir heute weiterschreiben“. Gerhard Schröder hatte da noch einen „stürzenden Adler“ von Georg Baselitz hängen.

Ein Bildnis der Zarin Katharina

Zu Merkels Inventar zählt auch ein Foto, das den Einheitskanzler Kohl zusammen mit George Bush senior und Michail Gorbatschow vor einem bunt beklecksten Mauerbruchstück zeigt. Zudem hat Merkel ein kleines Bildnis der russischen Zarin Katharina mitgebracht, als sie vor zehn Jahren in die Regierungszentrale einzog. Mit Russophilie hat das nichts zu tun. Schließlich war Katharina die Große Deutsche von Geburt, eine Prinzessin von Anhalt-Zerbst. Merkel fühlt sich eher ihrem Machtwillen und ihrem Reformeifer verbunden.

Im Unterschied zu Kohl hat die erste deutsche Kanzlerin wenig unternommen, um es sich gemütlich einzurichten am Arbeitsplatz Nummer eins der Republik. Der befindet sich übrigens nicht dort, wo man ihn vermuten würde. Merkel regiert Deutschland nicht vom Schreibtisch aus. Dessen schiere Ausmaße behagen ihr nicht. Ihr Vorgänger Schröder hatte das schwarz furnierte Monstrum angeschafft.

Den Schreibtisch findet Merkel befremdlich

Merkel verriet einmal in einem Interview, dass dieses ausladende Möbelstück von der Größe eines Mittelklassewagens sie „etwas befremdet“. Deshalb setzt sie sich mit den Aktenstapeln, die zu bearbeiten sind, lieber an den langen Konferenztisch an der Westwand des Büros. Dort finden regelmäßig auch Besprechungen mit dem engsten Kreis ihrer Mitarbeiter statt. Am Schreibtisch erledigt die Kanzlerin lediglich die Telefonate mit Amtskollegen aus aller Welt. Das kann sich im Einzelfall aber ziemlich in die Länge ziehen.

Zu den Accessoires in Merkels Arbeitsumfeld zählt auch ein Globus. Der steht rechter Hand neben dem Computerbildschirm auf der Schreibtischplatte. Ansonsten ist die Deko sehr zurückhaltend und ziemlich nüchtern. Üppige Blumensträuße sind auch nicht nach Merkels Geschmack. Wenn sie welche geschenkt bekommt, werden sie auf dem Sideboard oder wahlweise auf dem Konferenztisch platziert. Die Kunst der Floristik sagt ihr weniger zu als ein paar Blüten aus der heimischen Flur, zum Beispiel Rittersporn. Der wächst auch in der Uckermark.