Die Stadt Filderstadt will den dörflichen Charakter in Sielmingen und Bonlanden schützen. Bürger bemängeln, das Ganze sei nicht zu Ende gedacht und erzählen auch von Häusern aus dem 18. Jahrhundert, die unbewohnbar seien.

Der Filderstädter Gemeinderat hat neuen Erhaltungssatzungen für drei Quartiere zugestimmt. Die für Obersielmingen betrifft im Wesentlichen das Gebiet rund um die Kapellenstraße und die Lange Straße, in Untersielmingen erstreckt sie sich entlang der Sielminger Hauptstraße. In Bonlanden ist der alte Ortskern um die Kirche, entlang der Kronen- und bis zur Oberdorfstraße enthalten. Der Anlass sei, so die Verwaltung, dass prägende Bausubstanz zunehmend von Abriss bedroht sei und durch Neubauten ersetzt werden solle.

 

Ein Abbruch würde aber dazu führen, dass wichtige bauliche Zeugnisse der Geschichte der Ortsteile verloren gingen und eine Neubebauung aufs Stadtbild negative Auswirkungen haben könnte. „Mit der Erhaltungssatzung wird der Gemeinde die Möglichkeit gegeben werden, aktiv zum Erhalt des historischen Ortsbildes beizutragen“, heißt es.

Was, wenn es faktisch nichts zu erhalten gibt?

Steffen Hörz hat lang in Sielmingen gelebt. Am Erhalt des Ortsbilds ist auch ihm gelegen. „Ich kann den Gemeinderat verstehen, dass man an der Hauptstraße keinen Bunker will“, dennoch war der 47-Jährige gegen die Satzung, denn für ihn hat sie Probleme gebracht. „Bei mir ist das großelterliche Haus betroffen“, sagt er. Er berichtet von einem Gebäude aus dem 18. Jahrhundert, das nach einem Wasserschaden seit zehn Jahren unbewohnbar sei. Im Erdgeschoss: ein Stall mit einer Deckenhöhe von 1,80 Meter, hinten eine alte Scheune ohne Fundament. „Der Königsweg ist die Erhaltung“, hat er aus der Diskussion mitgenommen, doch was, wenn es faktisch nichts zu erhalten gebe?

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Aus der Bürgerschaft gab und gibt es Kritik. Bemängelt wird, dass „erhaltenswerte“ Gebäude nur nach der Außenschau beurteilt worden seien, nicht nach der Substanz. Bisher genehmigungsfreie Veränderungen würden nun genehmigungspflichtig, Abrisse seien nur in Ausnahmefällen möglich, auch barrierefreies Bauen oder energetische Sanierungen würden laut der Kritiker erschwert. Der zusätzliche baurechtliche Genehmigungsschritt verzögere Prozesse. Teils sei keine sinnvolle und wirtschaftliche Nutzung von Grundstücken mehr möglich. Alles in allem wird ein massiver Eingriff in die Entscheidungsfreiheit der Grundstücksbesitzer beanstandet. Steffen Hörz hat Unterschriften gesammelt. Knapp 250 Personen haben sich beteiligt, vor allem aus Sielmingen, um das „bürokratische Monster“, wie er es bei der Übergabe an den Oberbürgermeister nannte, zu stoppen.

Uneinigkeit auch in den Fraktionen

Gebracht hat es nichts. Der Gemeinderat hat mehrheitlich zugestimmt, auch wenn man sich innerhalb der Fraktionen teils sehr uneinig war. Während etwa Stefan Hermann (Freie Wähler) die neuen Erhaltungssatzungen als „Ermöglichungssatzungen“ verstanden wissen wollte, um den „Charakter von Stadtteilen für nachfolgende Generationen zu erhalten“, stemmte sich sein Fraktionskollege Matthias Weinmann vehement dagegen. Die Satzungen brächten für die Eigentümer deutliche Wertminderungen, „ich kann das nicht mit meinem Gewissen vereinbaren“. Die Stadt räume sich Mitspracherecht bei fremdem Eigentum ein, zudem werde unnötig Bürokratie aufgebaut. „Ich nenne es eine Verhinderungssatzung.“

Auch für die CDU sprach Wolfgang Pascher von Uneinigkeit. „Die Erhaltung der Ortskerne ist uns sehr wichtig“, betonte er, gleichwohl forderte er von der Verwaltung, sie möge eine Konzeption vorlegen. „Manche hinterfragen die Sinnhaftigkeit eines weiteren planerischen Instruments ohne eine Vision der Verwaltung“, sagte er.

Es gebe genügend Instrumente gegen den Wildwuchs

Allerdings: Dass Erhaltungssatzungen überhaupt erstellt wurden, ist das Ergebnis eines interfraktionellen Gemeinderatsantrags. Der OB Christoph Traub kritisierte daher, „dann in der beschließenden Sitzung die Sinnhaftigkeit in Frage zu stellen“. Es gehe darum, Positives in den Quartieren angesichts des Veränderungsdrucks, dem die Stadt ausgesetzt sei, zu erhalten, nicht um einen reinen Objektschutz.

Steffen Hörz hätte sich einen anderen Weg gewünscht. Er gebe genug Instrumente gegen den Wildwuchs, zum Beispiel Bebauungspläne oder den Gestaltungsbeirat. Das großelterliche Haus sei mittlerweile teils abgerissen, doch wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte auf dem zentralen Grundstück längst etwas passieren sollen, vielleicht altersgerechtes Wohnen. Allerdings war vor der Satzungserstellung eine zwölfmonatige Bausperre in den Gebieten verhängt worden. Nun, so glaubt er, wird alles noch schwieriger. Zwar kündigt die Verwaltung Einzelfallbetrachtungen an, aber „ich befürchte, dass man zwei, drei zusätzliche Runden drehen muss. Und dass man dann vielleicht doch nichts machen darf“.