Womit man sich in Hemmingen in den 60er-Jahren wusch, was einst im Ort über den Ehebetten hing und wie um 1900 Keksdosen aussahen: dies und noch mehr kann man ab Samstag in den Ortsgeschichtlichen Räumen im Etterhof studieren.

Wenige Stunden vor der Eröffnung zieht noch eine Bewohnerin in den Etterhof ein. „Manfred, das ist meine. Die kann hier solange schlafen, bis ich sie wieder brauche“, sagt Renate Fahrbach vom Ortsgeschichtlichen Verein Hemmingen und hält Manfred Gutbrod, dem Initiator der Ortsgeschichtlichen Räume, einen Puppentorso samt Kopf vor die Nase. „Die mache ich bis morgen wieder hübsch“, sagt Fahrbach. Sie zieht der Puppe Kleider an und versucht, den Kopf zu befestigen. Gutbrod freut sich über die Leihgabe. Das Kinderzimmer der Ausstellung kann noch gut eine Puppe vertragen – auch wenn dort im Bettchen bereits eines der Juwelen der Ausstellung thront, eine Originalspielzeugpuppe aus der Zeit um 1900.

 

„Heimatmuseum wäre als Titel zu viel gewesen.“

Morgen um 11 Uhr eröffnet, was mehr als zehn Jahre Vorlauf gehabt hat: die Ortsgeschichtlichen Räume in Hemmingen. „Heimatmuseum wäre als Titel zu viel gewesen“, findet Gutbrod. Und dennoch würde diese Bezeichnung passen, denn fast alles, was in dem ehemaligen Bauernhof in der Ortsmitte ausgestellt ist, haben Spender aus Hemmingen und Umgebung dem Ortsgeschichtlichen Verein gegeben. 2001 hatte die Gemeinde das Gebäude von der Familie Raiser gekauft. Der Hof verfügt als einziger im Ort noch über Reste einer sogenannten Ettermauer, eine Markierung der Grenze zwischen Dorf und Feldflur.

Hemminger beweisen ein gutes Auge für den „Wert“ der Sachen

Seit diesem Jahr ist Gutbrod, der bis dahin sporadisch Heimathistorisches gesammelt hatte, systematisch auf der Suche: es galt, ein komplettes Bauernhaus aus der Zeit um 1900 einzurichten. Dafür bekam der 61-Jährige viel Unterstützung aus dem Ort. Fast immer, wenn er zum Etterhof kommt, liegt ein Päckchen vor der Tür oder in der Scheune. Immer wieder gerät Gutbrod ins Staunen, was die Leute alles aufheben. „Ich hatte gedacht, dass mit der Modernisierung in den 70er-Jahren vieles verschwunden sei“, schildert er seine Befürchtungen von einst. Aber die Hemminger haben aufbewahrt – mehr noch: „Sie haben ein Gefühl dafür, was wertvoll ist.“ Wobei Gutbrod mit „wertvoll“ nicht den Materialwert, sondern den historisch-nostalgischen meint. So kann er im Badezimmer des Hofes – Badewanne und Installationen sind alle original aus den 60er-Jahren – Waschmittelschachteln, Bullrich-Salz und ein Gläschen mit Panamarinde ausstellen. Neben der Wanne steht ein Karton mit der Aufschrift „Kernseife – 120 Stück“. „Sogar noch original verpackt“, sagt Gutbrod und schüttelt den Kopf.

Es kam ihm zugute, dass er seit Jahrzehnten Lehrer an der Grund- und Werkrealschule Hemmingen ist. „Ich kenne Gott und die Welt.“ Sonst wäre Gutbrod vielleicht nicht an Keksdosen mit dem Kaiser-Wilhelm-II-Aufdruck gekommen, vielleicht auch nicht an die komplett erhaltene Küferwerkstatt der beiden Hemminger Meister Karl Bauer und Jakob Guggenburg.

Jesus-Motive über Hemminger Ehebetten

Auf dem Speicher des Museums steht Material, „das für mehrere Sonderausstellungen reicht“. Den Anfang macht eine Schau historischer Bügeleisen. Irgendwann will er Schlafzimmerbilder zeigen: Schäferszenen und Jesus-Darstellungen müssen früher wohl über jedem Hemminger Ehebett gehangen haben.

„Aber das wichtigste ist die Werkstatt“, sagt Gutbrod und macht an einer Hobelbank halt. Ab Herbst will er hier mit Kindern werkeln, mit Originalwerkzeugen altes Kinderspielzeug herstellen und in der Küche in einem Originalofen backen.