Der „Kastanienkönig“ ist nach Schöckingen gekommen – ein riesengroßer Beitrag zum 1200-Jahr-Dorfjubiläum.

Ditzingen - Der König kommt. Seine Bediensteten versetzen ein ganzes Dorf in Aufregung, das letztlich vergeblich wartet. Der König kommt nicht, denn er war schon die ganze Zeit da. Der komische Kauz, der unterm Kastanienbaum saß, ist der richtige König – er nimmt den Menschen Last und Sorgen ab. Das ist die Kernaussage des Musicals „Der Kastanienkönig“, das am Wochenende zum 1200-Jahr-Jubiläum des Orts in der Reithalle des Martinshofs in Schöckingen gespielt wurde. Autor, Komponist und Regisseur ist der evangelische Pfarrer Matthias Hanßmann, mitgemacht haben 250 Menschen aus dem Dorf. Für alle ist das ein umwerfendes Erlebnis, nicht nur für den Hauptdarsteller, den Sänger und Musiker B. Free, sondern auch für die toll agierenden Laienschauspieler, Sänger, Tänzer und Musiker, und für 1000 Zuschauer zweier Aufführungen.

 

Das Popmusical sei sehr eingängig, meint B. Free, „da kann mancher einen Ohrwurm mit nach Hause nehmen“. Mit Laien zu arbeiten, mache ihm sehr viel Spaß. Der „Kastanienkönig“ transportiere eine eindeutige Botschaft, sagt der 45-Jährige, der Musik und Gesang studiert und sich nach einer Zeit als Opernsänger zur Gospel- und christlichen Popmusik umorientiert hat. Er spielt „Mister G“, den Kauz im Dorf, der unterm Kastanienbaum sitzt – dem Treffpunkt der Dorfbewohner – und dem Müßiggang frönt.

Der Zuschauer braucht nicht lange, um zu begreifen, wer „Mr. G“ sein soll. Viel mehr als ein Wink ist zum Beispiel der Satz G’s zu einer Gruppe von Ausgestoßenen, „habt keine Angst, kommt zu mir, schöpft Kraft in meinem Haus, ich nehm euch eure Lasten ab“. Dann heftet er die großen Punkte, die der Dorfmob den Unerwünschten angeklebt hat, an seinen Mantel. „Du bist eine Art barmherziger Samariter, ein König der Herzen“, sagt einer der vom Stigma Befreiten, und Mr. G antwortet: „Punkte gehören zu unserem Leben, ich nehm’ sie euch ab, genießt eure neue Freiheit.“ Mit dem schwangeren Paar im letzten Drittel, das zum König-Bejubeln kommt, aber keinen Platz in der Herberge mehr findet, und den stark verpoppten Melodien von „Nun danket alle Gott“ und „Macht hoch die Tür“ ist es fast des Guten an christlicher Botschaft zu viel – der Grat zwischen Unterhaltung und Evangelisation wird in etlichen Passagen sehr, sehr schmal.

Wer als Zuschauer meinte, „Der Kastanienkönig“ sei Amateurtheater mit ein bisschen Ortsgeschichte, war enttäuscht. Schöckingen ist nicht als Ort im Stück definiert, auch wenn Schloss, Kastanie oder Dorfbänkle Hinweise liefern. Auch der Zeitbezug ist nicht einfach; Maske und Kostüme geben aber Hinweise auf die vorvergangene Jahrhundertwende. Deshalb strahlt das Stück Allgemeingültigkeit aus. Matthias Hanßmann suchte jedenfalls Anklänge zu verbürgten Königsbesuchen im Ort: König Wilhelm I. war 1824 im Dorf, König Wilhelm II. weilte bei Militärübungen 1885 und 1898 auf Schöckinger Gemarkung, und der spanische König Juan Carlos gab sich 2006 die Ehre.

Manche Figur, die drei Alten auf dem Balkon, der Schultes, der Pfarrer oder die Landfrauenvorsitzende, sind bis zur Karikatur überzeichnet, was der Unterhaltung geschuldet ist. Und die Parade für den Königsbesuch bringt viele Gruppen aus dem heutigen Dorf ins Stück: Theodor-Heuglin-Schule, Feuerwehr, Harmonikaklub, Kindergarten – die Klammer zwischen dem Heute im Jetzt und dem Damals im Stück. Zum Schluss mischt sich der Kastanienkönig wieder unters Publikum, wo er herkam.

Er habe „kein plattes evangelikales Stück schaffen“ wollen, sagt Hanßmann – „die christliche Botschaft der evangelischen Kirchengemeinde kommt durch die Kastanien-Blume“. Es sei ein Musical „mit möglichst vielen Leuten aus dem Ort“. Für ein Stück zur Dorfgeschichte ist das Ganze aber schon ziemlich fromm.