Im Juni hatten die letzten deutschen Soldaten Afghanistan verlassen. Die Ortskräfte fürchten sich seither vor den Taliban. Was die Ampelkoalition tun will.

Berlin - . Drei Monate nach dem endgültigen Abzug internationaler Truppen harren Tausende afghanische Ortskräfte deutscher Institutionen noch immer in Afghanistan aus. Wie aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine schriftliche Frage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen hervorgeht, sind darunter rund 2400 aktive und ehemalige Ortskräfte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Zwischen Ende August und dem 7. November sind den Angaben zufolge indes 456 Ortskräfte in Deutschland eingereist.

 

Der Großteil der Ortskräfte wurde nicht gerettet

Ende Juni dieses Jahres hatten nach einem Nato-Beschluss die letzten deutschen Soldatinnen und Soldaten vorerst Afghanistan verlassen. Die Entwicklungsarbeit sollte zunächst fortgesetzt werden. Doch die radikal-islamischen Taliban eroberten das Land binnen kürzester Zeit wieder zurück und die Ortskräfte bangen seither um ihr Leben.

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Die Bundeswehr wurde zwar Mitte August wieder am Flughafen Kabul für eine militärische Evakuierungsoperation eingesetzt, um deutsche Staatsangehörige sowie schutzbedürftige Afghanen auszufliegen. Doch am 27. August endete nach gut zehn Tagen auch diese Mission und ein Großteil der Ortskräfte blieb zurück.

Die Ampelkoalition verspricht: „Werden Verbündete nicht zurücklassen.“

In Afghanistan oder den Nachbarländern hielten sich vermutlich noch bis zu 745 ehemalige Ortskräfte des Auswärtigen Amtes auf sowie drei aktive Ortskräfte in der Hauptstadt Kabul, heißt es in der Antwort auf die schriftliche Frage, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt, weiter. Aus dem Bereich des Bundesinnenministeriums seien es noch 23 Ortskräfte, beim Verteidigungsministerium bis zu 645 Ortskräfte. Dagdelen warf der geschäftsführenden Bundesregierung vor, diese Menschen „trotz zugesagter Evakuierung weiterhin skrupellos im Stich“ zu lassen.

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SPD, FDP und Grüne haben in ihrem am Mittwoch vorgestellten Koalitionsvertrag das Thema aufgegriffen und versprechen: „Wir werden unsere Verbündeten nicht zurücklassen.“ So sollten diejenigen besonders geschützt werden, die „der Bundesrepublik Deutschland im Ausland als Partner zur Seite standen und sich für Demokratie und gesellschaftliche Weiterentwicklung eingesetzt haben“. Das Ortskräfteverfahren solle so reformiert werden, „dass gefährdete Ortskräfte und ihre engsten Familienangehörigen durch unbürokratische Verfahren in Sicherheit kommen“.

Bundeswehr hat Verbündete in vielen Krisenregionen

Derzeit beschäftigt die Bundeswehr in verschiedenen Einsatzländern 70 Ortskräfte. Davon arbeiten 57 im westafrikanischen Mali, wo deutsche Soldatinnen und Soldaten an der UN-Blauhelmmission Minusma und dem EU-Ausbildungseinsatz EUTM beteiligt sind, wie ein Sprecher des Einsatzführungskommandos dem epd mitteilte. Demnach beschäftigt die Bundeswehr zudem im Kosovo neun Ortskräfte und im Irak vier lokale Mitarbeiter.

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Auch die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die im Auftrag der Bundesregierung Entwicklungsprojekte umsetzt, hat in den drei Ländern lokale Beschäftigte. Die meisten GIZ-Ortskräfte arbeiten im Irak (313), gefolgt von Mali (300) und dem Kosovo (165). Deren Sicherheit habe oberste Priorität, sagte eine Sprecherin. Zu konkreten Plänen in Krisensituation gab sie aus Sicherheitsgründen keine Auskunft.

Im Koalitionsvertrag betonen derweil die Ampel-Parteien, die im Dezember eine neue Regierung bilden wollen, dass „ein humanitäres Aufnahmeprogramm des Bundes“ in Anlehnung an bisherige Programme im Zuge des Syrien-Krieges verstetigt und „jetzt für Afghanistan“ genutzt werden soll. Die Evakuierungsmission vom August soll ferner in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufgearbeitet werden.