Der wegen fahrlässiger Tötung seiner Freundin Reeva Steenkamp verurteilte Oscar Pistorius soll noch diese Woche nach zehn Monaten aus der Haft entlassen werden. Unter welchen Auflagen der Sportstar unter Hausarrest steht und was das Berufungsgericht entscheiden wird, ist noch unklar.

Johannesburg - Bereits Ende dieser Woche wird sich für Oscar Pistorius aller Wahrscheinlichkeit nach das Tor des südafrikanischen Hochsicherheitsgefängnisses Kgosi Mampuru II öffnen. Der wegen fahrlässiger Tötung seiner Freundin Reeva Steenkamp zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilte Ausnahmesportler kann den Rest seiner Haftzeit vermutlich unter Hausarrest absitzen. Das hatte Südafrikas Bewährungsausschuss bereits im Juni unter Berufung auf die gute Führung des beinamputierten Athleten entschieden – der wachsende Widerstand gegen die vorzeitige Entlassung des Olympioniken wird daran wohl nichts ändern.  

 

Die Frauenliga des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) startete Ende vergangene Woche eine Initiative, um die Freilassung von Oscar Pistorius in letzter Minute noch zu verhindern. Es handele sich um eine „Beleidigung südafrikanischer Frauen“, heißt es in einem von 200 weiteren Organisationen mitunterzeichneten Aufruf der Frauenliga. Der Tod des 29-jährigen Models Steenkamp, das von Pistorius in der Nacht zum Valentinstag am 14. Februar 2013 mit vier Schüssen aus seiner Pistole in dessen Toilette erschossen worden war, sei noch immer eine „offene Wunde“, in die nun Salz gestreut werde, sagte die Sprecherin der Initiative Jacqui Mofokeng. Bewährung sei „kein Recht, sondern ein Privileg“, das in diesem Fall unangemessen sei.  

Steenkamps Eltern sind empört

In einem Brief an den Bewährungsausschuss hatten auch die Eltern Steenkamps ihr Unverständnis über die vorzeitige Entlassung Pistorius’ zum Ausdruck gebracht. „Eine zehnmonatige Strafe ist für jemanden, der einen Menschen tötete, einfach nicht genug“, schrieben June und Barry Steenkamp: „Wir wollen weder Rache noch Herrn Pistorius leiden sehen. Doch wer ein Vergehen begeht, muss für seine Tat zur Verantwortung gezogen werden.“  

Unterdessen verwiesen südafrikanische Rechtsexperten darauf, dass der Hausarrest keineswegs einer Freilassung gleichkomme. Die im Fall Pistorius noch nicht bekanntgegebenen Bedingungen könnten unter anderem ein weitgehendes Ausgehverbot, eine Kontrolle der Besucher sowie das Tragen eines elektronischen Bewegungsmelders beinhalten. Gut möglich, dass der 28-jährige Sportler lediglich zum Kirchgang das luxuriöse Anwesen seines Onkels in Pretoria verlassen darf, in dem er voraussichtlich die nächsten Jahre verbringen wird. Pistorius wird sich wohl auch regelmäßig bei der Polizei melden müssen und keinen Alkohol trinken dürfen.

Das Berufungsgericht muss noch entscheiden

Es kann sogar sein, dass der Verurteilte ins Gefängnis zurückkehren muss, denn die Staatsanwaltschaft legte schon Anfang dieses Jahres Berufung gegen das Urteil von Richterin Thokozile Matsipa ein. Selbst wenn Pistorius der Auffassung war, dass sich in seiner Toilette ein Einbrecher – und nicht Reeva Steenkamp – befunden habe, hätte er niemals in den lediglich knapp drei Quadratmeter großen geschlossenen Raum schießen dürfen, argumentiert Staatsanwalt Gerrie Nel. Pistorius habe damit bewusst den Tod der Person in der Toilette in Kauf genommen.

Das Berufungsgericht in Bloemfontein wird im November über den Antrag entscheiden. Folgt es der Logik der Staatsanwaltschaft, muss Pistorius mit einer Gefängnisstrafe von bis zu 15 Jahren rechnen.   Über die zehnmonatige Haft des Sportlers ist nur wenig an die Öffentlichkeit gedrungen. Der Beinamputierte war in einem Einzelzimmer des Krankenhaustraktes untergebracht. Dort soll er sich dem Studium der Bibel hingegeben haben, hieß es. Bekannt wurde ein mit einem Handy aufgezeichnetes Video, das Pistorius beim Elfmeterschießen mit dem berüchtigten tschechischen Bandenchef Radovan Krejcir zeigt.